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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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bemalte Pferde, auf kindliche Weise beschmiert und mit Häuten, Federn, Knochen und Zähnen behängt, ein Mann mit einer getrockneten und eingeschrumpelten Menschenhand um den Hals, ein anderer mit einem Kopfputz aus Stierhörnern, ein dritter mit einer großen Kupferscheibe als Brustpanzer, die in der Nachmittagssonne schimmerte und blitzte, dazu rote und blonde Haare, geschwenkte Waffen, gebogen und schnäbelnd und schartig. Alle schrien wie wild und schienen fest entschlossen, ihn umzubringen. Tempel wurde es selbst im Hintern eisig kalt.
    »OGottoGottachduScheißeoGott …«
    Sein hirnloses Fluchen ratterte dahin wie die Hufe seines Pferdes – Lamms Pferd –, und ein Pfeil flog vorüber und landete im Gras. Scheu brüllte ihm über die Schulter hinweg etwas zu, aber ihre Worte verloren sich im Wind. Er klammerte sich an die Zügel, krallte die Hände hinten in Liefs Hemd, sein Atem ging stoßweise, seine Schultern brannten, und er wusste genau, dass er ein toter Mann war, sogar noch schlimmer als tot, und ihm ging nur ein einziger Gedanke durch den Kopf, dass er doch eigentlich als Treiber hinten im Treck hätte reiten sollen. Dass er auf dem Berg oberhalb von Averstock hätte bleiben sollen. Dass er hätte einschreiten sollen, als die Gurkhisen Kahdia holten, statt in dieser stillen, hilflosen, schamerfüllten Reihe mit den anderen stehen zu bleiben.
    Dann sah er vor sich etwas, das sich bewegte, und erkannte, dass es der Trupp war, die Umrisse von Wagen und Vieh am Horizont, und Reiter, die ihnen entgegenkamen. Hastig schielte er über die Schulter und sah, dass die Geister zurückfielen, andere Richtungen einschlugen, er hörte ihre sich überschlagenden Rufe, und einer schickte ihnen einen Pfeil hinterher, der sie aber nicht erreichte. Er schluchzte vor Erleichterung und war gerade noch so geistesgegenwärtig, beim Näherkommen sein Pferd – Lamms Pferd – zu zügeln, das fast genauso zitterte wie er.
    Chaos zwischen den Wagen, Panik breitete sich aus, als hätten sich sechshundert und nicht nur sechs Geister genähert. Luline Buckhorm rief laut nach einem verschwundenen Kind, Gentili kämpfte mit einem rostigen Brustpanzer, der sogar noch älter aussah als er selbst, ein paar Kühe hatten sich von der Herde wegbewegt, trampelten mitten zwischen den Wagen herum, und Majud stand auf und forderte Leute, die ihn gar nicht hören konnten, mit lautem Gebrüll dazu auf, Ruhe zu bewahren.
    »Was ist passiert?«, grollte Lamm standfest wie immer, und Tempel konnte nur den Kopf schütteln. Es waren keine Worte in ihm. Er musste sich zwingen, die schmerzende Hand zu öffnen und Liefs Hemd loszulassen, als Lamm den Jungen vom Pferd hob und auf den Boden bettete.
    »Wo ist Corlin?«, brüllte Scheu, und Tempel glitt aus dem Sattel, die Beine taub wie zwei trockene Äste. Lamm schnitt Liefs Hemd auf, der Stoff zerriss ratschend unter der Klinge, und Tempel beugte sich hinab, wischte das Blut vom Pfeilschaft, aber kaum dass er es weggewischt hatte, kam mehr nach, und Liefs Körper war ganz glitschig.
    »Gib mir das Messer«, sagte er und schnippte mit den Fingern, und Lamm drückte es ihm in die Hand, und er starrte den Pfeil an. Was war zu tun, was war zu tun … herausziehen oder herausschneiden oder auf der anderen Seite herausdrücken … er versuchte sich zu erinnern, was Kahdia ihm über Pfeilwunden gesagt hatte. Da war etwas gewesen, es gab eine bestimmte Vorgehensweise, bei der es die besten Überlebenschancen gab, aber er konnte sich nicht entscheiden, und Lief verdrehte die Augen, sein Mund stand offen, und das Haar war blutverklebt.
    Scheu hockte sich neben ihm hin und fragte: »Lief? Lief?« Und Lamm streckte den Jungen sanft aus, und Tempel steckte das Messer in den Boden und wippte federnd auf den Fußballen. Mit Macht, in einem seltsamen Wirbel, fiel ihm plötzlich alles wieder ein, was er über den Jungen wusste. Dass er in Scheu verliebt gewesen war, und dass Tempel nur ganz allmählich hatte sein Vertrauen gewinnen können, dass er seine Eltern verloren hatte, dass er seinen Bruder, den die Banditen geraubt hatten, wiederfinden wollte, dass er gut mit Ochsen umgehen konnte und hart arbeitete … aber all das war jetzt mittendrin zerstört worden und würde sich nie wieder reparieren lassen. All seine Träume und Hoffnungen und Ängste endeten hier auf dem zertrampelten Gras und waren für immer aus der Welt geschnitten.
    Eine verdammt große Sache.
    Savian brüllte, hustete und deutete mit seinem

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