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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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und der bleibt.«
    »Ein besonders prächtiges Stück Gesichtsbehaarung«, sagte Faukin, obwohl er in Wahrheit auch bei diesem schlechten Licht mehr als nur ein paar graue Haare darin entdeckt hatte. »Ihn abzurasieren, das würde ich zutiefst bereuen.«
    Obwohl er zweifelsohne als Favorit im kommenden Kampf galt, hatten Goldings Augen etwas seltsam Gehetztes, Feuchtes, als sie Faukins Blick im Spiegel suchten. »Gibt es Dinge, die Sie bereuen?«
    Ganz kurz kam Faukin sein ausdrucksloses, blasses, professionelles Lächeln abhanden. »Haben wir die nicht alle, mein Herr?« Er begann mit seiner Arbeit. »Aber wahrscheinlich ist es die Reue, die einen davon abhält, denselben Fehler mehrmals zu begehen.«
    Golding warf seinem Spiegelbild einen finsteren Blick zu. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich immer wieder dieselben Fehler begehe, ganz gleich, wie groß meine Reue sein mag.«
    Darauf wusste Faukin keine Antwort, aber der Barbier ist in solchen Augenblicken im Vorteil: Er kann das Schweigen mit seiner Schere unterbrechen. Schnipp-schnapp , und die gelbblonden Haarschnipsel fielen auf den Boden und bildeten dort diese quälenden Muster, die immer so aussahen, als hätten sie eine Bedeutung, die sich niemals ganz erschließen ließ.
    »Waren Sie schon drüben bei Hochwürden?«, fragte Papa Ring vom Fenster.
    »Jawohl, mein Herr.«
    »Was machte sie denn für einen Eindruck?«
    Faukin dachte an die Haltung Hochwürdens zurück und überlegte vor allem, was Papa Ring nun wohl hören wollte. Ein guter Barbier stellt nie die Wahrheit über die Hoffnungen seiner Kunden. »Sie wirkte angespannt.«
    Ring sah wieder aus dem Fenster, und hinter seinem Rücken bewegten sich der dicke Daumen und die Finger nervös hin und her. »Kann ich mir vorstellen.«
    »Was ist mit dem anderen Kerl?«, fragte Golding. »Mit dem, gegen den ich kämpfen werde?«
    Faukin hielt beim Schneiden kurz inne. »Er schien nachdenklich zu sein. Als ob ihm etwas leidtäte. Aber auf sein Ziel konzentriert. Wenn ich ehrlich bin … er wirkte ganz ähnlich wie Sie.« Faukin erwähnte nicht, was ihm gerade aufgegangen war.
    Dass er mit großer Wahrscheinlichkeit einem der beiden seinen letzten Haarschnitt verpasst hatte.
    Biene wischte gerade den Boden auf, als er an der Tür vorüberkam. Sie brauchte ihn dabei nicht zu sehen, sie erkannte ihn schon an seinem Schritt. »Grega?« Sie rannte auf den Flur, und ihr Herz klopfte so stark, dass es wehtat. »Grega!«
    Er wandte sich um und verzog das Gesicht, als würde ihm schlecht, wenn er hörte, wie sie seinen Namen aussprach. Müde sah er aus, müde und mehr als ein bisschen betrunken und kaputt. Sie konnte stets mit Leichtigkeit erraten, in welcher Stimmung er gerade war. »Was?«
    Wenn sie von ihrem Wiedersehen geträumt hatte, dann hatte sie sich alle möglichen kleinen Geschichten ausgedacht. In einer zog er sie in seine Arme und sagte ihr, dass sie sofort heiraten würden. In einer anderen wurde er verwundet, und sie pflegte ihn wieder gesund. In einer stritten sie, in einer lachten sie, in einer weinte er und sagte, dass es ihm leidtat, wie er sie behandelt hatte.
    Aber in keiner davon hatte er sie einfach ignoriert.
    »Ist das alles, was du mir zu sagen hast?«
    »Was gäbe es denn wohl sonst?« Er sah ihr nicht einmal in die Augen. »Ich muss mit Papa Ring reden.« Damit ging er den Flur hinunter.
    Sie griff nach seinem Arm. »Wo sind die Kinder?« Die Enttäuschung ließ ihre Stimme schrill und blutleer klingen.
    »Kümmer dich um deinen eigenen Kram.«
    »Das tu ich. Du hast gewollt, dass ich dir helfe, oder nicht? Du hast mich gedrängt, dir die Kinder zu bringen!«
    »Du hättest ja Nein sagen können.« Das stimmte, sie wusste es. Aber sie hatte ihm so unbedingt etwas zu Gefallen tun wollen, dass sie auch ins Feuer gesprungen wäre, hätte er es verlangt. Grega lächelte kurz, als sei ihm etwas Lustiges eingefallen. »Aber wenn du es unbedingt wissen willst: Ich habe sie verkauft.«
    Kälte breitete sich in ihrem Bauch aus. »An wen?«
    »An diese Geister oben in den Bergen. An diese Drachenärsche.«
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie konnte kaum sprechen. »Was werden sie mit ihnen machen?«
    »Keine Ahnung. Sie ficken? Sie auffressen? Was kümmert mich das? Was dachtest du denn, was ich mit ihnen will, ein Waisenhaus aufmachen?« Ihr Gesicht brannte jetzt, als hätte er sie geohrfeigt. »Du bist so eine dumme Kuh. Ich glaub, ich hab noch nie jemanden getroffen, der blöder ist als

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