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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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mit steifen Gliedern aus den Decken. »Ich hatte eine Kette.«
    »Eine goldene?«
    »Mit so einem Diamanten drin.« Er formte mit Daumen und Zeigefinger den Umriss eines Hühnereis und sah sie durch das Loch darin an.
    Scheu war sich immer noch nicht sicher, ob das Ganze nicht doch ein Witz war. »Du.«
    »Ich.«
    »Der mit einer einzigen Hose über einen ganzen Winter gekommen ist.«
    Er zuckte die Achseln. »Die Kette war mir inzwischen abhandengekommen.«
    »Gibt’s da irgendwelche besonderen Verhaltensweisen in Gegenwart von Königen?«
    »Ein paar Knickse wären nicht schlecht.«
    Sie schnaubte. »Die kannst du dir in den Arsch schieben.«
    »Die kannst du dir in den Arsch schieben, Euer Majestät. «
    »König Lamm«, brummte sie und kroch zwischen die Decken, um seine Wärme, die ohnehin schon fast vergangen war, noch so gut wie möglich auszunutzen. »König Lamm.«
    »Ich hatte einen anderen Namen.«
    Sie sah ihn von der Seite an. »Was für einen?«
    Er saß da in der breiten Öffnung der Höhle, ein zusammengesunkener Schatten vor der sternenübersäten Nacht, und sie konnte nicht erkennen, was sich auf seinem Gesicht abspielen mochte. »Spielt keine Rolle«, sagte er. »Dieser Name hat nie etwas Gutes gebracht.«
    Am nächsten Morgen schien der Wind von allen Seiten gleichzeitig zu kommen und schleuderte ihnen Schnee entgegen, bitter wie ein Pleitegänger. Als sie aufstiegen, waren sie in ungefähr derselben lustigen Stimmung wie Leute, die zu ihrer eigenen Hinrichtung reiten, und sie kämpften sich weiter vorwärts, bergauf, bergauf. Der Wald wurde lichter, und die Bäume waren hier verkümmert, verdorrt, verdreht wie ein gemartertes Volk. Die Reiter schlängelten sich an kahlen Felsen vorbei, bis der Weg immer schmaler wurde – vielleicht handelte es sich um ein altes Bachbett, obwohl es manchmal wie eine von Menschenhand in den Stein geschlagene Treppe aussah, die über lange Jahre vom Wetter fast völlig glatt geschmirgelt worden war. Jubair schickte einen seiner Männer mit den Pferden zurück nach Leuchtberg, und irgendwie wünschte Scheu sich beinahe, mit ihm mitgehen zu können. Aber sie wanderte mit den anderen zu Fuß weiter.
    »Was zur Hölle machen diese Drachenärsche überhaupt hier oben?«, brummte sie irgendwann, an Süß gewandt. Ihr kam die Gegend nicht so vor, als ob jemand, der klaren Geistes war, sich freiwillig hierherbegeben würde, und noch weniger konnte sie sich vorstellen, dass hier jemand leben wollte.
    »Weiß ich eigentlich auch nicht so genau … wieso die hier oben sind.« Der alte Pfadfinder stieß die Worte zwischen seinen schweren Atemzügen aus. »Aber sie sind schon eine ziemlich lange Zeit hier.«
    »Sie hat es dir nicht erzählt?«, fragte Scheu und nickte zu Weinender Fels hinüber, die ihnen entschlossenen Schrittes voranging.
    »Ich denke, dass sie immer noch bei mir ist … liegt wohl daran … dass ich Hemmungen habe, solche Fragen zu stellen.«
    »An deinem tollen Aussehen liegt es jedenfalls nicht, das kann ich dir versichern.«
    »Im Leben geht’s nicht nur ums Aussehen.« Er warf ihr von der Seite einen Blick zu. »Das ist für uns beide auch gut so.«
    »Was wollen die mit den Kindern?«
    Er blieb stehen, um einen Schluck Wasser zu trinken, und bot ihr auch einen an, während die Söldner, die schwer an der beträchtlichen Last ihrer vielen Waffen trugen, sich an ihnen vorbeischoben. »Soweit ich gehört habe, werden hier oben keine Kinder geboren. Da ist irgendwas mit dem Land. Sie werden unfruchtbar. Alle Drachenleute stammen von irgendwo anders her, sie alle wurden irgendwann mal verschleppt. Normalerweise haben sie sich Geister geholt, manchmal auch Kaiserliche oder vielleicht mal einen Nordmann, der sich vom Zahnmeer hierher verirrt hatte. So wie’s aussieht, werfen sie jetzt, da die Goldsucher die Geister aus dem Land treiben, die Netze weiter aus. Und kaufen Kinder von Typen wie Cantliss.«
    »Weniger reden!«, zischte Weinender Fels von weiter oben. »Mehr laufen!«
    Der Schnee fiel jetzt dichter denn je, aber es gab keine so hohen Verwehungen, und als Scheu ihr gut eingepacktes Gesicht etwas mehr frei machte, merkte sie, dass der Wind längst nicht mehr so heftig biss wie zuvor. Eine Stunde später war der Schnee nur noch glitschiger Matsch auf nassem Gestein, und sie zog sich die nassen Handschuhe aus und konnte trotzdem noch ihre Fingerspitzen fühlen. Nach einer weiteren Stunde fiel zwar immer noch Schnee, aber der Boden war frei, und Scheu

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