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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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hinterließ die helle Klinge nur eine rote Spur auf seinem Gesicht. Blutstropfen flogen ins Nichts. Er machte drei taumelnde Schritte rückwärts, kam beim letzten mit dem Hacken fast schon an den Rand, und für einen winzigen Augenblick entstand ein klein wenig mehr Platz zwischen den beiden Männern, als Waerdinur sein Schwert erneut zum Zuschlagen hob.
    Scheu war vielleicht nicht besonders gut im Abwarten, aber wenn der richtige Augenblick kam, dann hatte sie ein Gespür dafür, ihn auch zu ergreifen. Sie dachte nicht einmal darüber nach zu schießen. Ihr Pfeil flog durch die Dunkelheit, streifte den Rand von Waerdinurs Schild und traf seinen Schwertarm. Er keuchte, die Spitze seiner Klinge sank und kratzte harmlos über die Brücke, während Scheu noch ihren Bogen senkte und selbst kaum glauben konnte, dass sie überhaupt geschossen hatte, vom Treffen gar nicht zu reden.
    Lamm brüllte wie ein wilder Stier, schwenkte die lange Metallstange, als sei sie nicht schwerer als eine Weidenrute, prügelte Waerdinur von einer Seite zur anderen, ohne dass der die Möglichkeit zum Zurückschlagen gehabt hätte, selbst wenn Scheus Pfeil ihn nicht getroffen hätte. Es kostete ihn Mühe, nicht den sicheren Stand zu verlieren. Lamm setzte nach, unermüdlich, gnadenlos, trieb ihn schließlich von der Brücke und auf den Sims an der anderen Seite der Schlucht. Ein letzter Schlag riss den Schild von Waerdinurs Arm und schickte ihn in die lautlose Tiefe. Der Drachenmann taumelte gegen die Wand, das Schwert entfiel seiner schlaffen Hand, die inzwischen von der Pfeilwunde blutbesudelt war.
    Eine Gestalt flog aus den Schatten hinter dem nächsten Durchgang auf ihn zu, und ein Messer blitzte auf, als sie Lamm ansprang und er zum Rand des Abgrunds zurückwich, sich wehrte, sie abschüttelte und gegen die Wand schleuderte. Ein Mädchen mit rasiertem Kopf sank auf dem Boden zusammen. Verändert, so verändert, aber Scheu wusste, wer es war.
    Sie warf ihren Bogen weg und rannte los, ohne auch nur einen Gedanken an den Abgrund zu verschwenden, der links und rechts von ihren Füßen klaffte, an nichts weiter denkend als an die Entfernung zwischen ihnen.
    Lamm zog sich das Messer aus der Schulter, ein Blutfaden rann hinterher, und warf es wie einen benutzten Zahnstocher weg, das Gesicht noch immer zu diesem roten Lächeln verzerrt, blutig wie eine frische Wunde, und er sah nichts und achtete auf nichts. Das war nicht der Mann, der so viele schwankende Meilen neben ihr auf dem Karren gehockt hatte, der geduldig die Felder gepflügt, den Kindern etwas vorgesungen oder sie ermahnt hatte, realistisch zu sein. Er war ein anderer Mensch, wenn er denn überhaupt noch ein Mensch war. Jener, der die zwei Banditen in Averstock umgebracht hatte, der auf der Großen Ebene Sangied den Kopf abschlug, der Glama Golding im Schildkreis mit bloßen Händen getötet hatte. Wahrlich der beste Freund des Todes.
    Er beugte sich nach hinten, die lange Stange in den Fäusten, an der die Kerben und Kratzer vom Schwert des Schöpfers zornig schimmerten, und Scheu schrie laut, aber sie verschwendete nur ihren Atem. Er kannte jetzt genauso wenig Gnade wie der strenge Winter. So viele Meilen hatten sie zurückgelegt, so viel hatten sie durchgemacht, und nun waren so kurz vor dem Ziel diese wenigen Schritte zu viel, als er die Stange mit Wucht herabfahren ließ.
    Waerdinur warf sich schützend über Ro, und das Metall prallte gegen seinen dicken Unterarm, der wie ein Zweig entzweibrach, krachte gegen seine Schulter, riss eine tiefe Wunde in seinen Kopf, schlug ihn bewusstlos. Lamm hob die Stange wieder, die verzerrten Lippen weiß vor schreiendem Schaum, und Scheu erwischte das andere Ende, wurde von der Brücke gerissen, schrie laut auf, als sie in die Luft flog. Wind rauschte, die glühende Höhle drehte sich, und sie krachte kopfüber auf die Steine.
    Dann plötzlich Stille.
    Schlurfende Schritte.
    Steh auf, Scheu.
    Du kannst nicht den ganzen Tag nur rumliegen.
    Auf dem Hof gibt’s genug zu tun.
    Aber schon allein das Atmen war eine Herausforderung.
    Sie drückte sich gegen die Wand oder den Boden oder die Decke, und die Welt drehte sich noch einmal, und alles wirbelte herum wie Blätter in einem Strudel.
    Stand sie noch? Nein. Sie lag auf dem Rücken. Ein Arm baumelte herunter. Hing über den Rand des Abgrunds, Schwärze und Feuer, winzig in der weit entfernten Tiefe. Das schien keine gute Idee zu sein. Sie rollte sich zur anderen Seite. Schaffte es irgendwie, auf

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