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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Hand«, grollte Jubair, der aus einem Durchgang getreten war und mit einem Tuch das Blut von seinem Säbel wischte. »Seine Wege sind geheimnisvoll.«
    Cosca schnaubte. »Eine verschleierte Hure ist geheimnisvoll. Gottes Wege erscheinen eher … verrückt.«
    Parfümierter Rauch kitzelte in Tempels Nase, während das Holz verbrannte. Ganz ähnlich hatte es in Dagoska gerochen, als die Gurkhisen endlich in die Stadt eingedrungen waren. Als die Flammen die Häuser in den Elendsquartieren verschlangen, die Bewohner erfassten, brennende Menschen, die sich von den zerstörten Hafenanlagen ins Meer stürzten. Als der Kampfeslärm langsam näher gekommen war. Kahdias Gesicht, von flackerndem Orange erhellt, das leise Gemurmel der anderen, die beteten, und Tempel, der an seinem Ärmel zupfte und sagte: »Sie müssen gehen, Haddisch, sie werden kommen«, während der alte Priester den Kopf schüttelte, Tempels Schulter drückte und sagte: »Eben deswegen muss ich bleiben.«
    Was hätte er damals tun können? Was konnte er jetzt tun?
    Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr, sah eine kleine Gestalt zwischen zwei geduckten Gebäuden hin und her flitzen. »War das ein Kind?«, raunte er leise und war schon auf dem Weg dorthin, wo er den kleinen Schatten gesehen hatte.
    »Wieso wird immer so viel Aufhebens um Kinder gemacht?«, rief Cosca ihm nach. »Sie werden genauso alt und entwickeln sich genauso enttäuschend wie wir alle!«
    Tempel hörte kaum zu. Er hatte Sufeen im Stich gelassen, er hatte Kahdia im Stich gelassen, seine Frau und seine Tochter, und er hatte sich geschworen, immer den einfachen Weg zu gehen, aber dieses Mal vielleicht … Er bog um die Hausecke.
    Ein Junge stand da, mit rasiertem Kopf. Blasshäutig. Mit rotbraunen Augenbrauen, wie Scheu. Das richtige Alter hatte er vielleicht auch. Konnte es sein, dass er …
    Tempel sah, dass das Kind einen Speer in Händen hielt. Einen kurzen Speer zwar, aber dafür hielt es ihn mit überraschender Entschlossenheit umklammert. Bei all seiner Sorge um andere hatte Tempel tatsächlich einmal vergessen, an seine eigene Sicherheit zu denken. Vielleicht ein Zeichen einer persönlichen Weiterentwicklung. Allerdings war im Augenblick keine Zeit, sich deswegen zu beglückwünschen.
    »Ich habe Angst«, sagte er, ohne sich dabei im Geringsten verstellen zu müssen. »Hast du Angst?«
    Keine Antwort. Tempel streckte ganz vorsichtig die Hände aus, die offenen Handflächen nach oben gewandt. »Bist du Pit?«
    Ein kurzes erschrecktes Zucken lief über das Gesicht des Jungen. Tempel kniete sich langsam hin und versuchte, seine alte Ernsthaftigkeit wieder zu bemühen, was bei dem Lärm der Zerstörung um sie herum nicht gerade einfach war. »Ich heiße Tempel. Ich bin ein Freund von Scheu.« Das führte zu einem neuerlichen Zucken. »Ein guter Freund.« Das war im Augenblick zwar eine ziemliche Übertreibung, aber die war vielleicht verzeihlich. Die Speerspitze zitterte. »Und auch von Lamm.« Sie senkte sich allmählich. »Sie sind gekommen, um dich zu finden. Und ich bin mit ihnen mitgekommen.«
    »Sie sind hier?« Es hörte sich seltsam an, wie der Junge die Gemeine Sprache mit Naheland-Akzent sprach.
    »Sie sind hier«, sagte Tempel. »Sie haben dich gesucht.«
    »Deine Nase blutet.«
    »Ich weiß.« Er wischte sie sich wieder mit dem Handrücken ab. »Kein Grund zur Sorge.«
    Pit legte seinen Speer auf den Boden, ging zu Tempel und umschlang ihn mit seinen Armen. Tempel blinzelte kurz, dann erwiderte er zögernd die Umarmung und hielt den Jungen fest.
    »Du bist jetzt in Sicherheit«, sagte er. »Du bist jetzt sicher.«
    Scheu schlich den Flur hinunter. Am liebsten wäre sie schnell weitergerannt, aber gleichzeitig hatte sie so viel Angst, dass sie sich beinahe in die Hosen machte. Sie umklammerte den glitschigen Griff ihres Schwerts. Das einzige Licht in diesem Gang kam von flackernden, kleinen Lampen, und es warf einen eigenwilligen Schimmer auf die metallenen Muster, die den Boden bedeckten, Kreise in Kreisen, Buchstaben und Linien. Und auf das Blut, das darüber verschmiert war. Ihre Augen glitten zwischen den betrügerischen Schatten hin und her, sprangen von einem Körper zum nächsten – Drachenleute und auch Söldner, zerschlagen und durchbohrt, noch immer blutend.
    »Lamm?«, flüsterte sie, aber so leise, dass sie es selbst kaum hörte.
    Geräusche schallten von dem warmen Fels zurück, drangen aus den Öffnungen auf beiden Seiten – Schreie und Krachen,

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