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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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die Knie zu kommen, während alles um sie herum schwankte und sie versuchte, den Nebel aus ihrem Schädel zu verjagen.
    Leute schrien, die Stimmen vage, gedämpft. Dann schlug etwas gegen sie, und fast wäre sie wieder gestürzt.
    Ein Knäuel kämpfender, aneinandergedrängter Männer. Lamm war in der Mitte, das Gesicht wild verzerrt wie das eines Tieres, rotnass von einem quer darüber verlaufenden, langen Schnitt, und er gab kreischende und gurgelnde Geräusche von sich, die nicht einmal annähernd wie Flüche klangen.
    Coscas großer Feldwebel, Freundlich, war hinter ihm, hatte einen Arm um seinen Hals geschlungen, und Schweiß trat ihm vor Anstrengung auf die Stirn, aber er runzelte nur ein klein wenig die Stirn, als sei er dabei, eine knifflige Rechenaufgabe zu lösen.
    Süß versuchte, Lamms linken Arm festzuhalten, und wurde hin und her geschleudert wie ein Mann, der ein Pferd eingefangen hatte, das durchgehen wollte. Savian hielt Lamms Rechte und krächzte dabei: »Hör auf! Hör auf, du verrücktes Arschloch!« Scheu sah, dass er ein Messer gezogen hatte, und glaubte mitnichten, dass sie ihn daran hindern könnte, es zu benutzen. Sie wusste nicht mal, ob sie das wollte.
    Lamm hatte versucht, Ro zu töten. Nach all dem, was sie durchgemacht hatten, um sie zu finden, hatte er nun versucht, sie umzubringen. Er hätte auch Scheu umgebracht, ganz gleich, was er ihrer Mutter einmal versprochen haben mochte. Er hätte sie alle umgebracht. Scheu konnte das nicht begreifen. Wollte es auch nicht.
    Dann wurde Lamm plötzlich steif, riss beinahe Süß vom Klippenrand, und unter seinen flatternden Lidern war das Weiße seiner Augen zu sehen. Dann wurde er schlaff, keuchte, wimmerte, schob sich die blutige, verkrüppelte Hand über das Gesicht, und aller Kampfgeist schien ihn mit einem Mal verlassen zu haben.
    Und Savian tätschelte Lamm sanft die Brust, das gezogene Messer noch immer hinter dem Rücken, und sagte: »Ganz ruhig. Ganz ruhig.«
    Scheu wankte zu ihnen, nachdem die Welt wieder einigermaßen gerade stand, auch wenn ihr Kopf noch immer wild pochte und an ihrem Hinterkopf Blut hinuntertröpfelte.
    »Ganz ruhig, ganz ruhig.«
    Der rechte Arm ließ sich kaum bewegen, und die Rippen taten so weh, dass schon allein das Atmen schmerzte, aber sie schlurfte dennoch zum Durchgang hinüber. Hinter sich hörte sie Lamm schluchzen.
    »Ganz ruhig … ganz ruhig …«
    Ein schmaler Gang, heiß wie eine Schmiede und schwarz, abgesehen von einem flammenden Glühen in einiger Entfernung, und schimmernden Flecken auf dem Boden. Waerdinurs Blut. Scheu humpelte hinterher, erinnerte sich an ihr Schwert, schaffte es auch, die Waffe zu ziehen, konnte aber mit ihrer gefühllosen rechten Hand kaum den Griff festhalten, fasste ungeschickt mit der Linken danach und ging dann weiter, fand langsam wieder sicheren Schritt, bis sie beinahe schon in leichten Lauf verfiel. Der Tunnel wurde heller, noch heißer, und vor ihr tat sich eine Öffnung auf, ein goldenes Licht, das die Steine übergoss. Sie rannte hindurch und kam schlitternd zum Stehen, fiel auf den Hintern und lag dann still da, auf einen Ellenbogen gestützt und mit vor Staunen offenem Mund.
    »Scheiße«, hauchte sie.
    Sie wurden das Drachenvolk genannt, das wusste sie ja. Aber sie hatte nie damit gerechnet, dass sie wirklich einen Drachen haben würden.
    Aber dort lag er, inmitten einer riesigen, von einer Kuppel überwölbten Kammer, ganz so, wie es immer in den Märchenbüchern beschrieben wurde – wunderschön, schrecklich, seltsam, und seine abertausend Metallschuppen schimmerten matt im Licht der Feuer.
    Es war schwer, seine Größe einzuschätzen, weil er sich so zusammengerollt hatte, aber der sich nach vorn verjüngende Kopf war vielleicht von Manneslänge. Seine Zähne waren Dolchklingen. Keine Klauen. Seine vielen Beine liefen in Händen aus, und goldene Ringe steckten auf den eleganten Metallfingern. Unter den gefalteten Papierschwingen ratterten und rasselten leise Zahnrädchen; ganz, ganz langsam drehten sich die Räder, und ein feiner Kringel Dampf stieg aus den schlotartigen Nüstern, die Zungenspitze glich einer gegabelten Kette, die leicht rasselte, und ein winziger Schlitz eines smaragdfarbenen Auges zeigte sich unter jedem der vier metallenen Lider.
    »Scheiße«, flüsterte sie erneut, und ihre Augen glitten nun zu der Lagerstatt des Drachen, die der kindlichen Traumvorstellung ebenso entsprach wie das Ungeheuer selbst. Ein Berg aus Geld. Aus uralten Gold-

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