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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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die von den Söldnern in Aschrang zurückgelassen worden waren, damit sie sich die Köcher mit Beute vollstopfen konnten.
    Sie schickten andere Männer aus, um jene zu erledigen, die für die Schüsse verantwortlich waren, aber sie kamen nicht wieder, und nach einer Weile eilten sie trotzdem weiter, aber jetzt ging die Angst mit ihnen, und sie hielten ihre Waffen gezogen, blickten nervös zwischen die Bäume und in die Schatten. Immer wieder verschwanden Leute, einer nach dem anderen, und ein Mann traf einen Kameraden, den er irrtümlich für einen Feind gehalten hatte, mit einem Pfeil, und Cosca breitete die Hände aus und sagte: »In einem Krieg gibt es keine geraden Fronten.« Sie stritten darüber, ob sie den Verwundeten mit sich tragen oder zurücklassen sollten, aber bevor sie sich geeinigt hatten, starb er sowieso, und sie plünderten seine Leiche und schubsten sie in eine tiefe Felsspalte.
    Einige Kinder grinsten sich heimlich an, weil sie ahnten, dass ihnen ihre Familie folgte, und die Toten waren wie eine Botschaft, die man ihnen zurückließ. Evin ging neben Ro und sagte in der Sprache des Drachenvolks: »Heute Nacht hauen wir ab.« Sie nickte.
    Die Dunkelheit kam ohne Sterne oder Mond, und der Schnee fiel in dicken, weichen Flocken, und Ro wartete. Zitternd vor Anspannung, weil sie darauf brannte, endlich wegzulaufen, und zitternd vor Angst, geschnappt zu werden. Sie maß die sich endlos streckende Zeit mit den Atemzügen der schlafenden Draußenmenschen, mit Scheus, die schnell und gleichmäßig waren, und Savians, die rasselnd laut aus seiner Brust drangen, und denen der Geisterfrau, die gern murmelte, wenn sie sich umdrehte, und beinahe mehr sagte, wenn sie schlief, als wenn sie wach war. Bis schließlich der alte Süß, den sie für den Langsamsten unter ihnen hielt, wenn es um eine Verfolgung ging, geweckt wurde, um die Wache zu übernehmen, und brummelnd einen Platz auf der anderen Seite des Lagers bezog. Da berührte sie Evins Schulter, und er nickte ihr zu, und sie tippte auch die anderen an, und in einer geräuschlosen Prozession schlichen sie sich in die Dunkelheit.
    Sie rüttelte Pit wach, und er setzte sich auf. »Zeit zu gehen.« Aber er blinzelte nur. »Zeit zu gehen!«, zischte sie und drückte seinen Arm.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Sie zog ihn hoch, und er wehrte sich und schrie: »Ich will nicht mit! Scheu!« Und jemand warf seine Decken zurück, eine Dose schepperte, überall war Bewegung, und Ro ließ Pits Hand los und rannte davon, rutschte im Schnee aus, erreichte die Bäume, verfing sich mit dem Stiefel an einer Wurzel und fiel und sprang wieder auf und rannte weiter. Mit aller Macht kämpfte sie sich weiter, fest entschlossen, es dieses Mal in die Freiheit zu schaffen. Dann spürte sie ein schreckliches Gewicht rund um die Knie, und sie fiel hin.
    Sie kreischte und trat und schlug um sich, aber sie hätte genauso gut mit einem Stein, mit einem Baum, mit der mächtigen Erde selbst kämpfen können. Das Gewicht umklammerte ihre Hüften, dann ihre Brust, hielt sie hilflos gefangen. Sie glaubte, im aufstiebenden Schnee Evin zu entdecken, wie der sich zu ihr umsah, und sie streckte ihm eine Hand entgegen und schrie: »Hilf mir!«
    Dann verschwand er in der Dunkelheit. Oder sie.
    »Verdammt sollst du sein!«, fauchte Ro und weinte und zappelte, aber es half ihr nichts.
    Sie hörte Lamms Stimme an ihrem Ohr. »Ich bin schon verdammt. Aber ich lasse dich nicht noch einmal gehen.« Damit hielt er sie so fest, dass sie sich kaum bewegen, dass sie kaum atmen konnte.
    Und das war dann alles.

V
    ÄRGER
    »Jedes Land der Welt
    bringt Männer von eigener,
    individueller Schlechtigkeit hervor –
    und im Laufe der Zeit andere üble Kerle,
    die sie zum Wohle der Allgemeinheit
    töten.«
    EMERSON HOUGH

DIE ABRECHNUNG
    S ie rochen Leuchtberg, lange bevor sie die Siedlung erblickten. Der Duft von gebratenem Fleisch ließ die ausgehungerte Einheit durch den Wald den Berg hinunterstürzen, und die Männer rutschten in ihrer Eile aus, prallten gegeneinander und rannten sich gegenseitig um, bis über ihnen der Schnee von den Ästen herabrieselte. Eine unternehmungslustige Händlerin hatte sich hoch oben an dem Hang über der Siedlung ein paar Fleischspieße übers Feuer gehängt. Zu ihrem Pech waren die Söldner nicht in der Stimmung zu zahlen; sie ignorierten ihre Proteste und nagten jeden Knorpel so gründlich ab wie eine Horde Heuschrecken. Selbst noch rohes Fleisch wurde wild umkämpft und

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