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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Nummer sicher«, hatte der Mörder Cosca gesagt, sich dann dem Alten zugewandt, der Savian genannt wurde, und gefragt: »Haben Sie Ihren Jungen gefunden? Mein Rechtskundiger hat einige Kinder gerettet. Er hat wohl festgestellt, dass er eine Art Talent dafür besitzt.«
    Savian schüttelte den Kopf.
    »Wie schade. Werden Sie weitersuchen?«
    »Hatte mir geschworen, bis hierher zu gehen. Weiter nicht.«
    »Tja. Jeder Mensch hat seine Grenzen, nicht wahr?« Cosca gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf den Arm, dann fasste er Ro unters Kinn und sagte: »Kopf hoch, Kleine, dein Haar wächst bestimmt ganz schnell wieder nach!«
    Und Ro sah ihm nach, als er sich umwandte, und wünschte sich, den Mut, die Geistesgegenwart oder den Zorn in sich zu haben, um sich ein Messer zu suchen und ihn abzustechen, oder um ihn mit ihren Nägeln zu zerreißen oder ins Gesicht zu beißen.
    Zu Beginn des Rückmarsches schritten sie noch schnell aus, aber es dauerte nicht lange, da wurden sie langsamer, müde und erschöpft und satt von der Zerstörung. Sie trugen schwer und schwitzten unter der Last ihrer Beute, unter Säcken und Taschen, die vor Münzen überquollen. Schon bald schubsten sie sich und verfluchten sich und stritten über heruntergefallene Schmuckstücke. Ein Mann riss einem anderen die Flöte weg und zertrümmerte sie auf einem Fels, und der andere schlug ihn, und der große schwarze Mann musste sie auseinanderbringen und erzählte von Gott, als ob der zusähe, und Ro dachte, wenn Gott alles sehen kann, wieso sollte er sich dann ausgerechnet das hier anschauen wollen?
    Scheu redete und redete und war ganz anders als früher. Abgekämpft und blass und müde wie eine Kerze, die bis auf einen kleinen Stummel heruntergebrannt ist, verletzt wie ein geprügelter Hund, so dass Ro sie kaum wiedererkannte. Wie die Frau, die sie einmal in einem Traum gesehen hatte. Einem Albtraum. Scheu plapperte irgendwelches Zeug, nervös und idiotisch, und hatte dazu ein maskenhaftes Lächeln aufgesetzt. Sie fragte die neun Kinder nach ihren Namen, und manche nannten ihre alten und andere ihre neuen; sie wussten kaum noch, wer sie waren.
    Als Evin sagte, wie er hieß, ging Scheu vor ihm in die Hocke und erklärte: »Dein Bruder Lief war bei uns, für eine Weile.« Sie presste den Handrücken gegen ihre Lippen, und Ro sah, dass ihre Hand zitterte. »Er ist auf der Großen Ebene gestorben. Wir haben ihn an einem guten Platz beerdigt, denke ich. So gut es da draußen geht.« Dann legte sie Ro die Hand auf die Schulter und sagte: »Ich wollte dir ein Buch mitbringen oder so was, aber … das hat nicht geklappt.« Dabei war die Welt, in der es Bücher gab, etwas, woran sie sich nur noch halb erinnerte, wohingegen die Gesichter der Toten ihr noch ganz real und frisch vor Augen standen, und deswegen begriff Ro nicht, was sie damit meinte. »Es tut mir leid … dass wir so lange gebraucht haben.« Scheu sah sie an, die rosa umränderten Augen waren feucht in den Winkeln, und sagte: »Sag doch was, oder geht das nicht?«
    »Ich hasse dich«, sagte Ro in der Sprache des Drachenvolks, damit sie das nicht verstand.
    Der dunkelhäutige Mann, den sie Tempel nannten, sah sie traurig an und erwiderte in der gleichen Sprache: »Deine Schwester hat einen langen Weg zurückgelegt, um dich zu finden. Du warst für lange Monate alles, wonach sie sich gesehnt hat.«
    Ro sagte: »Ich habe keine Schwester. Sag ihr das.«
    Tempel schüttelte den Kopf. »Das musst du ihr selbst sagen.«
    Währenddessen beobachtete sie der alte Nordmann, die Augen weit aufgerissen, aber er blickte durch sie hindurch, als habe er etwas Schreckliches in weiter Ferne entdeckt. Und Ro musste daran denken, wie er mit diesem teuflischen Grinsen vor ihr stand und ihr Vater sein Leben für sie geopfert hatte, und sie fragte sich, wer dieser schweigsame Mörder war, der Lamm so ähnlich sah. Als die Wunden in seinem Gesicht zu bluten begannen, kniete Savian sich neben ihn, um sie zu nähen, und sagte: »Sie kommen einem am Ende doch gar nicht so dämonisch vor, diese Drachenleute.«
    Der Mann, der wie Lamm aussah, zuckte nicht einmal, als die Nadel seine Haut durchbohrte. »Die wahren Dämonen trägt man in sich.«
    Als Ro in der Dunkelheit lag, hörte sie selbst dann, als sie sich die Finger in die Ohren steckte, immer noch Hirfac schreien und schreien, als man sie auf der Kochplatte verbrannte und süßlicher Fleischgeruch in der Luft hing. Und selbst wenn sie sich die Hände über die Augen

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