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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Nacht hier rasten lassen? Ein wenig ausruhen, die Gastfreundschaft der Einheimischen genießen …«
    »Die Nachricht von unserer Ankunft darf die Rebellen nicht erreichen. Die Rechtschaffenen dürfen nicht rasten.« So, wie Lorsen das hervorbrachte, lag kein Hauch von Ironie in seinen Worten.
    Cosca blies die Backen auf. »Die Rechtschaffenen arbeiten hart, was?«
    Sufeen spürte eine lähmende Hilflosigkeit. Kaum gelang es ihm, die Arme zu heben, so müde war er plötzlich. Wenn es doch nur rechtschaffene Männer geben würde. Aber er war wohl der Einzige, der überhaupt auch nur annähernd dieser Beschreibung entsprach. Der Beste der ganzen Kompanie. Er war nicht stolz darauf. Die beste Made auf einem Misthaufen hätte sich lauter brüsten dürfen. Er war der Einzige hier, der noch über einen Hauch von Gewissen verfügte. Außer Tempel vielleicht, und Tempel verbrachte jeden wachen Augenblick damit, sich selbst und alle anderen davon zu überzeugen, dass er überhaupt kein Gewissen hatte. Sufeen sah ihm zu, wie er ein wenig hinter Cosca stand, leicht gebeugt, als ob er sich verstecken wollte, während seine Finger nervös zuckten und versuchten, die Knöpfe von seinem Hemd abzudrehen. Ein Mann, der alles hätte erreichen können und sich alle Mühe gab, ein Nichts zu sein. Aber inmitten dieser Narretei und Zerstörung erschien es kaum erwähnenswert, dass einer der Männer sein Potenzial nicht ausschöpfte. Hatte Jubair vielleicht recht? War Gott ein rächender Mörder, der Freude an der Zerstörung empfand? Zum jetzigen Zeitpunkt ließ sich jedenfalls nur schwerlich etwas anderes behaupten.
    Der große Nordmann stand unter dem Vordach vor Stupfers Fleischladen und sah zu, wie sie aufstiegen, die großen Hände fest um das Geländer gelegt, während die Nachmittagssonne auf der toten Metallkugel glitzerte, die sein Auge war.
    »Was werden Sie denn über diese Angelegenheit schreiben?«, fragte Tempel gerade.
    Sworbreck sah mit zweifelndem Blick auf sein Notizbuch, über dem der Bleistift schwebte, und dann klappte er es sorgsam zu. »Vielleicht beschönige ich diese Episode mit etwas Glanz und Gloria.«
    Sufeen schnaubte. »Ich hoffe, Sie haben reichlich von beidem dabei.«
    Allerdings musste man zugeben, dass sich die Kompanie der Gütigen Hand an diesem Tag ungewöhnlich zurückhaltend gebärdete. Sie ließen Handelsguth hinter sich zurück und beklagten sich nur wenig über die schlechte Qualität der Beute. Den toten Kaufmann ließen sie nackt vom Wachtturm baumeln, nachdem sie ihm ein Schild um den Hals gehängt hatten, das darauf hinwies, was mit Rebellen in Naheland allgemein geschehen würde. Ob die Rebellen davon hören und welche Lehren sie dann daraus ziehen mochten, das konnte Sufeen nicht sagen. Zwei andere Männer hingen neben dem Händler.
    »Wer waren denn die?«, fragte Tempel, der sich noch einmal umsah.
    »Der junge wurde erschossen, als er weglief, glaube ich. Was mit dem anderen war, weiß ich nicht.«
    Tempel verzog das Gesicht, zuckte leicht und zupfte am Saum seines ausgefransten Ärmels. »Was können wir da tun?«
    »Nur unserem Gewissen folgen.«
    Tempel wandte sich verärgert zu ihm um. »Für einen Söldner sprechen Sie ziemlich oft vom Gewissen!«
    »Wieso fragen Sie denn überhaupt, wenn Sie sich deswegen keine Gedanken machen?«
    »Soweit ich sehe, nehmen Sie trotzdem Coscas Geld!«
    »Wenn ich damit aufhörte, würden Sie es dann auch tun?«
    Tempel öffnete den Mund, dann klappte er ihn tonlos wieder zu und blickte grimmig zum Horizont, zupfte an seinem Ärmel, zupfte und zupfte.
    Sufeen seufzte. »Ich habe weiß Gott nie behauptet, ein guter Mann zu sein.« Ein paar der am Stadtrand liegenden Häuser waren in Brand gesteckt worden, und er sah den Rauchsäulen zu, die in den Himmel stiegen. »Lediglich der Beste der Kompanie.«

DIE VERGANGENHEIT
    HOLT ALLE EIN
    D er Regen prasselte herunter. Er füllte die Furchen der Wagenräder und die tiefen Spuren von Stiefeln und Hufen, bis sie sich in einen einzigen Morast verwandelten und die Hauptstraße nur noch etwas mehr Strömung gebraucht hätte, um als veritabler Fluss durchzugehen. Er legte einen grauen Vorhang über die Stadt, die vereinzelten Lampen leuchteten wie durch Nebel verdüstert, allenfalls als orangefarbene Flecken zu erahnen, die geisterhaft in den hunderttausend Pfützen tanzten. Er ließ den Schlamm aufspritzen, wie er in Strömen von den verstopften Regenrinnen an den Dächern schoss, aber auch von jenen Dächern,

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