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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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gefurcht. Der mit dem Hut griff nach seinem Becher, und Scheu sah die Sehnen auf dem Handrücken hervortreten, so fest packte er zu. Ausgerechnet diesen Augenblick hatte Lief sich ausgesucht, um die Tür aufzudrücken und über die Schwelle zu treten, nass und blass und unsicher. Aber die Augen aller Anwesenden waren fest auf Lamm gerichtet, und niemand beachtete den Jungen.
    »Üble Kerle waren das, ohne Skrupel«, fuhr Lamm fort. »Sie haben überall in Naheland Kinder geraubt und Leute aufgeknüpft. Ein gutes Dutzend habe ich in den letzten Tagen begraben.«
    »Wie viele Leute sind denn das?«
    »So um die zwanzig.«
    »Sollten wir uns zusammentun und sie aufspüren?« Der Wirt vermittelte gleichzeitig jedoch stark den Eindruck, als würde er lieber in seiner Hütte bleiben und weiter seine Krüge auswischen. Wer konnte ihm das verübeln?
    Lamm schüttelte den Kopf. »Hat keinen Zweck. Die sind schon über alle Berge.«
    »Stimmt natürlich. Tja, ich denk mal, über kurz oder lang werden die bekommen, was sie verdienen. Die Gerechtigkeit holt jeden ein, heißt es ja immer.«
    »Die Gerechtigkeit kann einholen, was von denen übrig ist, wenn ich mit ihnen fertig bin.« Lamm hatte sich die Ärmel endlich so aufgerollt, wie er sie haben wollte, und drehte sich zur Seite, lehnte sich leicht an den Tresen und sah direkt zu den drei Männern am anderen Ende hinüber. Zwar hätte Scheu vorher nicht sagen können, was sie erwartete, aber auf keinen Fall hätte sie gedacht, dass Lamm einfach da stehen, grinsen und erzählen würde, als ob ihn nichts auf der Welt bedrückte. »Wenn ich eben sagte, dass sie schon über alle Berge sind, dann stimmt das nicht ganz. Diese drei haben sich von den anderen getrennt.«
    »Ist das so?« Der mit dem Hut ergriff jetzt das Wort und entriss dem Wirt das Gespräch wie ein Dieb, der eine gut gefüllte Börse packt.
    Lamm fing seinen Blick und hielt ihm stand. »Mit Sicherheit.«
    »Drei Männer, sagst du?« Die nervöse Hand des Hübschen wanderte an seinem Gürtel entlang zu seiner Axt. Die Stimmung hatte sich plötzlich verändert, und die Drohung bevorstehender Gewalt hing wie eine Gewitterwolke in dem kleinen Schankraum.
    »Passt mal auf«, sagte der Wirt. »Ich will hier in meinem Laden keinen Ärger …«
    »Ich wollte auch keinen Ärger«, erwiderte Lamm. »Hab aber trotzdem welchen bekommen. Das ist mit Ärger nun mal so.« Er strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht, und seine Augen waren weit geöffnet und hell, ganz hell, auch der Mund war offen und atmete hastig, und er lächelte. Nicht wie ein Mann, der einer harten, schweren Aufgabe entgegensieht. Eher wie jemand, der sich auf etwas Schönes freut, der sich dafür Zeit nimmt wie für ein leckeres Essen. Ganz plötzlich sah Scheu seine Narben in einem ganz anderen Licht und fühlte diese seltsame Kälte über ihre Arme und den Rücken kriechen, bis ihr alle Haare zu Berge standen.
    »Ich habe diese drei aufgespürt«, erklärte Lamm. »Hab ihre Fährte aufgenommen und sie zwei Tage lang verfolgt.«
    Noch eine atemlose Pause. Der Wirt machte einen Schritt zurück, den Krug und den Lappen noch immer schlaff in der Hand, und sein Gesicht zeigte den Überrest eines Lächelns, während sich ansonsten der Zweifel breitmachte. Die drei hatten sich zu Lamm umgewandt und bewegten sich ein wenig voneinander weg. Damit drehten sie Scheu nun den Rücken zu, und ihr fiel es plötzlich schwer, sich ihnen weiter zu nähern; es war, als wate sie durch Honig, aus den Schatten und zu ihnen hin. Ihre unruhigen Finger legten sich immer wieder aufs Neue um den Messergriff. Jeder Augenblick zog sich in die Länge wie ein ganzes Zeitalter, und der Atem stockte kratzend in allen Kehlen.
    »Wohin führte denn diese Spur?«, fragte der mit dem Hut, wobei seine Stimme am Ende des Satzes leicht brach und dann verstummte.
    Lamm lächelte nur noch breiter. Es war das Lächeln eines Mannes, der genau das zum Geburtstag bekommen hatte, was er sich gewünscht hatte. »Bis ans Ende deiner verdammten Beine.«
    Der mit dem Hut riss den Mantel zurück, und das Tuch flatterte, als er nach seinem Säbel griff.
    Unvermittelt schleuderte Lamm den großen Krug in seine Richtung. Er krachte gegen den Kopf des Mannes und brachte ihn unter einer Bierdusche ins Taumeln.
    Ein Stuhl scharrte kreischend über den Boden, als der Bauer aufzustehen versuchte und dabei über das Möbelstück fiel.
    Der Rothaarige machte einen Schritt zurück – entweder versuchte er, mehr

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