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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Feuer machen, so leid mir das auch tut, sonst wäre mir jede Nacht schön gemütlich warm.« Süß streckte den Arm aus und wies auf die ebene Gleichförmigkeit, die sich in jeder Richtung ausbreitete, die endlose Weite von Erde und Himmel und Himmel und Erde bis hinein ins Nichts. »Hier gibt’s auf Meilen kein einziges Stück Holz. Wir werden Kuhfladen verbrennen, bis wir die Brücke von Sictus hinter uns haben.«
    »Und auch über Kuhscheiße kochen, ja?«
    »Vielleicht verbessert das den Geschmack von dem, was es bisher so gab«, meinte Lamm.
    »Gehört alles mit dazu«, sagte Süß. »Die jungen Krabben sammeln jetzt jedenfalls mal Brennmaterial.«
    Liefs Augen zuckten zu Scheu hinüber. »Ich bin nicht mehr so jung.« Als wollte er das unterstreichen, fasste er sich ans Kinn, wo er seit Neuestem eine magere Ernte blonder Härchen züchtete.
    Scheu war sich nicht sicher, ob sie nicht sogar mit mehr Bart aufwarten konnte, und Süß blieb völlig unbeeindruckt. »Du bist jung genug, um zum Wohle des Trupps auch mal in die Scheiße zu fassen, mein Junge!« Damit klopfte er ihm auf den Rücken, was Lief, wie sich an seinen hochgezogenen Schultern ablesen ließ, zweifelsohne ziemlich peinlich fand. »Na, braune Handflächen sind ein Zeichen großen Muts und großer Auszeichnung! Die Medaille der Großen Ebene!«
    »Soll der Rechtskundige mit zufassen?«, fragte Scheu. »Für drei Bruch gehört er für den Nachmittag dir.«
    Süß kniff die Augen zusammen. »Ich geb dir zwei.«
    »Abgemacht«, sagte sie. Bei so niedrigen Preisen lohnte sich das Feilschen kaum.
    »Das wird ihm bestimmt viel Spaß machen, unserem Rechtskundigen«, sagte Lamm, während Lief und Süß zum Trupp zurückritten und der Pfadfinder weiter darüber sinnierte, wie schön die Dinge früher einmal gewesen waren.
    »Der kommt ja nicht zum Spaß mit.«
    »Das ist wohl bei uns allen so.«
    Sie ritten eine Weile schweigend weiter, nur sie beide und der Himmel, der so riesig und weit erschien, dass man das Gefühl hatte, jeden Augenblick hineinzufallen und immer weiter zu fallen und zu fallen, ohne Ende. Scheu bewegte den rechten Arm ein wenig hin und her. Ihre Schulter und der Ellenbogen waren noch immer schwach und wund, und der Schmerz zog hoch bis in den Hals und hinunter bis zu den Rippen, aber es wurde jeden Tag weniger. Sie hatte schon Schlimmeres überstanden, keine Frage.
    »Tut mir leid«, sagte Lamm plötzlich unvermittelt.
    Scheu sah zu ihm hinüber, wie er so vornübergebeugt und krumm da saß, als hätte er eine Ankerkette um den Hals. »Ich hab’s mir irgendwie immer gedacht.«
    »Ich meine es ernst, Scheu. Es tut mir leid. Das, was in Averstock passiert ist. Was ich da gemacht habe. Und was ich nicht gemacht habe.« Er sprach immer langsamer und langsamer, bis Scheu das Gefühl bekam, dass jedes Wort ein Kampf war, den es auszufechten galt. »Tut mir leid, dass ich dir nie gesagt habe, was ich einmal war … bevor ich auf den Hof deiner Mutter gekommen bin …« Sie beobachtete ihn weiter, mit trockenem Mund, aber er sah nur auf seine linke Hand, und die ganze Zeit rieb der Daumen an dem Stumpf des einen Fingers. »Ich wollte einfach nur die Vergangenheit begraben. Nichts und niemand sein. Kannst du das verstehen?«
    Scheu schluckte. Sie hatte selbst ein paar Erinnerungen hinter sich gelassen, die sie am liebsten in einem Moor versenkt hätte. »Glaub schon.«
    »Aber die Samen der Vergangenheit tragen in der Gegenwart Früchte, hat mein Vater immer gesagt. Ich bin so ein Narr, dass ich mir dieselbe Lektion immer wieder aufs Neue beibringen will und immer noch gegen den Wind pisse. Die Vergangenheit bleibt nie begraben. Eine wie meine jedenfalls nicht. Blut findet immer wieder zu dir zurück.«
    »Was warst du denn?« Ihre Stimme klang in dieser Weite wie ein kleines Krächzen. »Ein Soldat?«
    Der grimmige Zug in seinem Gesicht vertiefte sich. »Ein Mörder. Nennen wir die Dinge beim Namen.«
    »Du hast in den Kriegen gekämpft? Oben im Norden?«
    »In Kriegen, Scharmützeln, Duellen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Wenn es keinen Grund mehr zum Kämpfen gab, dann suchte ich mir einen, und als mir die Feinde ausgingen, machte ich meine Freunde zu Feinden, damit es weitergehen konnte.«
    Sie hatte ursprünglich gedacht, jede Antwort würde besser sein als keine. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. »Du hattest wahrscheinlich deine Gründe«, murmelte sie so schwach, dass die Bemerkung den Klang einer flehenden Frage

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