Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
bekam.
    »Gute Gründe zu Anfang. Dann armselige. Und dann merkte ich, dass man auch ohne Gründe Blut vergießen kann, und kümmerte mich überhaupt nicht mehr um solchen Dreck.«
    »Du hast aber jetzt einen Grund.«
    »Joh. Jetzt habe ich einen Grund.« Er holte tief Luft und richtete sich etwas mehr auf. »Diese Kinder … sie sind das einzig Gute, wofür ich in meinem Leben verantwortlich war. Ro und Pit. Und du.«
    Scheu schnaubte. »Wenn Du mich zu deinen guten Werken rechnest, dann musst du schon ziemlich verzweifelt sein.«
    »Bin ich auch.« Er sah zu ihr hinüber, so fest und suchend, dass sie es schwer fand, seinem Blick standzuhalten. »Aber es ist nun mal so, du bist so ungefähr der beste Mensch, den ich kenne.«
    Sie guckte weg und bewegte die steife Schulter wieder hin und her. Mit sanften Worten umzugehen, das war ihr immer schwerer gefallen als mit harten. Wahrscheinlich hing es davon ab, was man eher gewöhnt war. »Du hast einen verdammt beschränkten Freundeskreis.«
    »Ich habe mir eben immer eher Feinde gemacht. Aber trotzdem. Ich weiß zwar nicht, wo du es her hast, aber du hast ein gutes Herz, Scheu.«
    Sie musste daran denken, wie er sie unter dem Baum aufgehoben hatte, wie er den Kindern vorsang, wie er ihren Rücken verarztete. »Du auch.«
    »Oh, ich kann den Leuten viel vormachen. Und die Toten wissen, dass ich mir auch selbst gern was vormache.« Er sah wieder zum flachen Horizont. »Nein, Scheu, ich habe kein gutes Herz. Dort, wo wir hingehen, wird es Ärger geben. Wenn wir Glück haben, dann nur wenig, aber das Glück ist mir über die Jahre nicht gerade nachgelaufen. Und deswegen hör mir zu. Wenn ich dir das nächste Mal sage, dass du mir nicht in die Quere kommen sollst, dann hältst du dich daran, verstanden?«
    »Wieso? Bringst du mich sonst um?« Sie hatte das so halb als Witz gemeint, aber seine kalte Stimme erstickte ihr Lachen.
    »Man kann nie wissen, was ich tun werde.«
    Der Wind fuhr in ihr Schweigen und bewegte das Gras in Wellen hin und her. Über das Windesrauschen glaubte Scheu Rufe wahrzunehmen. Mit einem unverkennbar panischen Klang.
    »Hast du das gehört?«
    Lamm wandte sein Pferd um und sprengte zum Trupp zurück. »Was hab ich über das Glück gesagt?«
    Es herrschte großes Durcheinander, alle drängten sich aneinander, versuchten, sich zu überschreien, verkeilten sich mit ihren Pferden, die Wagen gerieten einander ins Gehege, die Hunde tauchten unter den Rädern durch, die Kinder schrien, und insgesamt machte sich ein Entsetzen breit, als sei Glustrod von seinem Grab in dem weiten Land vor ihnen wieder auferstanden und wolle sie nun allesamt vernichten.
    »Geister!«, hörte Scheu jemanden kreischen. »Sie werden uns die Ohren abschneiden!«
    »Beruhigt euch!«, brüllte Süß. »Das sind keine verdammten Geister, und sie wollen uns auch nicht an die Ohren! Das sind Reisende wie wir, sonst nichts!«
    Als Scheu den Blick nach Norden richtete, sah sie eine Gruppe Reiter, die langsam näher kam, kleine, unruhige Punkte zwischen dem weiten schwarzen Land und dem weiten weißen Himmel.
    »Wie können Sie da so sicher sein?«, kreischte Lord Ingelstad, der einige seiner teuersten Besitztümer an die Brust gepresst hielt, als wollte er jeden Augenblick davonrennen. Wobei die Frage gewesen wäre, wohin.
    »Weil Geister, die auf Blut aus sind, nicht einfach über den Horizont getrottet kommen! Sie setzen sich jetzt mal hierhin und versuchen, sich nicht wehzutun. Weinender Fels und ich werden mal mit denen verhandeln.«
    »Vielleicht wissen diese Reisenden etwas von den Kindern«, sagte Lamm und spornte sein Pferd an, den beiden Pfadfindern hinterher. Scheu folgte ihm.
    Sie hatte gedacht, ihr eigener Trupp sei dreckig und heruntergekommen, aber er wirkte geradezu wie ein königlicher Zug verglichen mit der verlausten Bettlerprozession, der sie nun begegneten, mit gebrochenen, fiebrigen Augen, ausgemergelten, gelbzahnigen Pferden und einer Handvoll klappriger Wagen. Den Abschluss bildete eine kleine, von Fliegen verfolgte Herde Vieh. Ein Trupp der Verdammten, das stand mal fest.
    »Wie sieht’s aus?«, rief Süß als Gruß.
    »Wie es aussieht?« Der Anführer zügelte sein Pferd. Er war ein ziemlich großer Kerl, der einen zerschlissenen Unionstruppenmantel trug, dessen goldene Ärmeltressen jedoch ausgefranst herunterhingen. »Wie es aussieht?« Er beugte sich im Sattel vor und spuckte aus. »Wir sind ein Jahr älter als damals, als wir in die andere Richtung zogen,

Weitere Kostenlose Bücher