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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Bezahlung aufwarten können, wie als Viehtreiber hinter einem Trupp her zu reiten.
    »Schon wieder?« Er ließ die Schultern hängen, als hätte er gerade erfahren, den Morgen in der Hölle verbringen zu müssen. Was in etwa ja auch stimmte.
    »Nein, ich mache Witze. Deine Rechtskenntnisse sind schwer gefragt. Häcke möchte, dass du dem König der Union ein Begnadigungsgesuch übermittelst, Lestek hat beschlossen, sein eigenes Reich zu gründen, und braucht deine Hilfe bei der Verfassung, und Weinender Fels hätte gern einen Zusatz zu ihrem Testament.«
    Sie standen beieinander, es war fast noch völlig dunkel, und der Wind griff über die leere Weite und fand das Loch in der Nähe seiner Achselhöhle.
    »Ich reite als Treiber ganz hinten.«
    »Ja.«
    Kurz war Tempel versucht, sich aufs Flehen zu verlegen, aber dieses Mal hielt ihn sein Stolz davon ab. Vielleicht würde er um die Mittagszeit flehen. Aber einstweilen nahm er das vergammelte Lederding, das ihm sowohl als Sattel wie auch als Kissen diente, und humpelte zu seinem Maultier, das mit hasserfüllten Augen beobachtete, wie er sich näherte.
    Er hatte sich alle Mühe gegeben, das Tier in dieser ganzen unglücklichen Situation als Partner zu gewinnen, aber er hatte es nicht dazu bewegen können, die Dinge auch nur halbwegs ähnlich zu betrachten. Er war sein Erzfeind, und es nutzte jede Gelegenheit, ihn zu beißen oder abzuwerfen, und einmal hatte es höchst denkwürdig auf seine schlecht sitzenden Stiefel gepisst, als er gerade hatte aufsteigen wollen. Als er endlich den Sattel an Ort und Stelle befestigt hatte und das störrische Tier zum Ende des Trupps trieb, setzten sich die ersten Wagen in Bewegung, und die knirschenden Räder wirbelten bereits Staub auf.
    O Gott, so viel Staub.
    Dab Süß hatte sich, nachdem ihm Tempel von seiner Begegnung mit den Geistern erzählt hatte, dazu entschlossen, den Trupp in eine Gegend zu führen, die vor allem mit verdorrtem Gras und sonnengebleichten Brombeerranken bewachsen war. Man musste den ausgetrockneten Boden nur ansehen, um Staub aufzuwirbeln. Je weiter hinten man im Trupp ritt, in desto engeren Kontakt kam man mit diesem Staub, und Tempel hatte schon sechs Tage ganz hinten verbracht. Die meiste Zeit verdunkelte der Staub die Sonne und schloss ihn in eine nicht enden wollende, zähe Düsternis ein, in der die Landschaft wie ausradiert erschien, die Wagen verschwanden, und oft verwandelte sich sogar das Vieh direkt vor ihm in körperlose Erscheinungen. Alles an ihm war vom Wind ausgetrocknet und von Schmutz überzogen. Und wenn man nicht schon wegen des Staubs würgen musste, dann gab einem der Gestank der Tiere den Rest.
    Er hätte dieselbe Wirkung erzielen können, wenn er sich vierzehn Stunden lang den Hintern mit Drahtwolle abgerieben und dabei eine Mischung aus Sand und Kuhscheiße gefressen hätte.
    Zweifelsohne sollte er für sein glückliches Schicksal dankbar sein und Gott dafür danken, dass er lebte, aber es fiel ihm nicht leicht, sich für diese staubige Hölle tatsächlich dankbar zu zeigen. Dankbarkeit und Verbitterung sind schließlich ewige Brüder. Immer wieder dachte er darüber nach, wie er seiner Lage entfliehen und wie es ihm gelingen könnte, die erdrückenden Schulden hinter sich zu lassen und frei zu sein, aber es gab keinen Ausweg, schon gar keinen leichten. Er war umgeben von vielen Hundert Meilen offenen Landes, und das setzte ihn ebenso wirksam gefangen wie ein Käfig. Er beklagte sich bitterlich bei jedem, der ihm zuhören wollte – also niemandem. Lief ritt ihm am nächsten, aber der Junge war ganz offensichtlich von jugendlicher Schwärmerei für Scheu erfasst, hatte ihr eine Rolle irgendwo zwischen Geliebter und Mutter verpasst und zeigte beinahe komische Eifersuchtsattacken, wenn sie mit anderen Männern sprach oder lachte, was zu seinem großen Leidwesen häufig vorkam. Allerdings waren Liefs Sorgen unbegründet. Tempel hatte nicht die geringsten romantischen Absichten hinsichtlich jener Frau, die ihn mehr als alle anderen im Trupp drangsalierte.
    Zwar musste er zugeben, dass da etwas seltsam Interessantes an dieser schnellen, starken, sicheren Art war, die sie an sich hatte. Sie war immer in Bewegung, die Erste bei der Arbeit und die Letzte, die Pause machte, die immer noch stand, wenn andere saßen, und an ihrem Hut, ihrem Gürtel, ihrem Messer oder den Knöpfen an ihrem Hemd herumfummelte. Gelegentlich erwischte er sich bei der Überlegung, ob sie sich wohl überall so fest

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