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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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vernichteten Konkurrenten und ergebenen Bewunderern getanzt und sie zu seinen Füßen kaum bemerkt. Versagen, scheitern, das war etwas, das anderen passierte.
    Und dann versagten erst seine Knie, dann seine Eingeweide, seine Blase und schließlich sein Publikum. Der Stückeschreiber schlug mit dem Anflug eines Grinsens einen jüngeren Mann für die Hauptrolle vor, während er selbst eine durchaus verdienstvolle Nebenrolle erhalten sollte, natürlich, während er wieder zu Kräften kam. Und dann humpelte er auf die Bühne, stotterte seine Zeilen daher und schwitzte im Schein der stinkenden Lampen. Dann schlug ihm der Agent vor, dass sich ihre Wege trennen sollten. Es sei ja für beide eine wundervolle Zusammenarbeit gewesen, so viele Jahre lang, so schöne Kritiken, so ein gutes Publikum, aber es sei nun für sie beide an der Zeit, sich neuen Erfolgen zuzuwenden, neue Träume zu verwirklichen …
    »O Verrat, nun zeigst du dein scheußlich ’ Gesicht …«
    Der Wagen rumpelte, und die elenden paar Tropfen, die er sich in der letzten Stunde abgequetscht hatte, schwappten aus der Dose und über seine Hand. Ihm fiel das kaum auf. Er rieb sich das schwitzige Kinn. Er musste sich rasieren. Zumindest gewisse Standards mussten weiter aufrechterhalten werden. Er brachte immerhin Kultur in die Wildnis, oder etwa nicht? Wieder nahm er Camlings Brief zur Hand und überflog ihn, sprach die Worte unhörbar mit. Er war von einem übertrieben blumigen Stil besessen, dieser Camling, aber er war so angenehm demütig in seinem Lob und seiner Wertschätzung, wie er ihm eine gute Bearbeitung versprach und Pläne für eine epochale Veranstaltung schmiedete, die im alten Kaiserlichen Amphitheater von Knick aufgeführt werden sollte. Ein Auftritt, der die Zeitalter überspannen sollte, wie Camling es ausdrückte. Ein Kulturereignis der Extraklasse!
    Iosiv Lestek war noch nicht erledigt. Er nicht! Genugtuung kann man an den unwahrscheinlichsten Orten erfahren. Und inzwischen war es eine ganze Weile her, dass er zum letzten Mal einen Anfall von Wahnvorstellungen gehabt hatte. Das war ganz sicher ein Zeichen dafür, dass sich sein Zustand allmählich besserte! Lestek legte den Brief wieder beiseite und packte noch einmal kühn seinen Schwanz, während er die Ruinen betrachtete, die am Fenster vorbeizogen.
    »Mein größter Auftritt liegt noch vor mir …«, schnaufte er und biss die Zähne zusammen, als noch ein paar Tropfen in die Dose fielen.
    »Ich frage mich, wie das wohl ist«, sagte Sallit und starrte sehnsüchtig zu dem bunt bemalten Wagen hinüber, an dessen Seite in purpurnen Lettern die Aufschrift Der berühmte Iosiv Lestek prangte. Nicht, dass sie die Worte hätte lesen können. Aber das stand da, hatte ihr Luline Buckhorm gesagt.
    »Wie was wohl ist?«, fragte Goldi und schnalzte mit den Zügeln.
    »Schauspielerin zu sein. Auf einer Bühne zu stehen, vor Publikum und so.« Sie hatte schon einmal Schauspieler gesehen. Ihre Mutter und ihr Vater hatten sie zu einer Aufführung mitgenommen. Bevor sie gestorben waren. Natürlich vorher. Es waren keine großen Schauspieler aus der Stadt gewesen, aber trotzdem. Sie hatte geklatscht, bis ihr die Hände wehtaten.
    Goldi schob sich eine widerspenstige Locke zurück unter den abgewetzten Hut. »Spielst du nicht jedes Mal eine Rolle, wenn du einen Freier hast?«
    »Das ist aber nicht dasselbe, oder?«
    »Ein kleineres Publikum, aber sonst ist es doch ziemlich ähnlich.« Sie konnten hören, wie Najis sich hinten im Wagen um einen von Gentilis alten Vettern kümmerte und laut losstöhnte. »Wenn du so tust, als ob es dir gefällt, gibt’s vielleicht ein Trinkgeld.« Vor allem war es dann möglicherweise schneller vorüber, und das war auf alle Fälle von Vorteil.
    »Ich war nie so richtig gut im Vortäuschen«, murmelte Sallit. Jedenfalls nicht darin, so zu tun, als ob es ihr gefiel. Weil das nämlich nicht so einfach war, wenn man sich die ganze Zeit über vorstellte, gar nicht da zu sein.
    »Es geht ja nicht immer nur ums Vögeln. Nicht immer. Jedenfalls nicht nur.« Goldi war schon ein bisschen rumgekommen. Sie war verdammt praktisch veranlagt. Sallit wünschte sich, sie selbst wäre das auch. Vielleicht würde ihr das irgendwann gelingen. »Du musst sie behandeln, als wären sie eine richtig große Nummer. Das will doch jeder, oder?«
    »Wahrscheinlich.« Sallit hätte es auch schön gefunden, mal wie eine große Nummer behandelt zu werden und nicht nur wie irgendein Ding. Wenn die Leute

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