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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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sprechen.« Er holte tief Luft, aber das bittere Gefühl im Bauch wollte nicht verschwinden. Zwar hatte er das alles schon lange geplant, über das Für und Wider gründlich nachgedacht und sich für einen Weg entschieden, aber dieser letzte Schritt bedeutete trotzdem eine große Anstrengung.
    »Dann sprich«, sagte Lockweg.
    »Ich führe einen Trupp, der im Augenblick südlich von uns lagert, einen schnellen Tagesritt entfernt. Die Leute haben Geld.«
    »Dann werden wir es ihnen abnehmen«, sagte Lockweg.
    »Ihr werdet tun, was ich euch verdammt noch mal sage«, raunzte Süß. »Sag Sangied, dass er an den Ort kommen soll, den wir abgesprochen haben. Die Leute sind jetzt schon verdammt nervös. Zeigt euch einfach in Kampfaufstellung, reitet ein paar Mal um die Wagen herum, brüllt und schreit und schießt ein paar Pfeile ab, und dann werden sie euch nur zu gern Geld geben, nur damit ihr wieder abhaut. Ganz entspannt bleiben, kapiert?«
    »Kapiert«, sagte Lockweg, aber Süß hatte seine Zweifel, dass der Geist auch nur im Entferntesten wusste, was »entspannt bleiben« bedeutete.
    Er beugte sich zu seinem Gegenüber und sah ihm direkt ins Gesicht, da er glücklicherweise etwas oberhalb an einem Hang stand; dann schob er die Daumen in seinen Schwertgurt und reckte das Kinn vor. »Keine Toten, hast du gehört? Alles locker und einfach, und dann bekommt jeder sein Geld. Ihr die Hälfte, ich die Hälfte. Sag das Sangied.«
    »Das mache ich«, sagte Lockweg und erwiderte den Blick herausfordernd. Süß hätte ihn am liebsten erdolcht und die ganze Sache damit in den Wind geschossen. Aber die Vernunft siegte. »Was sagst du dazu?«, wandte sich Lockweg nun an Weinender Fels.
    Sie sah ihn an, ihr Haar wehte im Wind, und ließ weiter ihr Bein baumeln. Als hätte er überhaupt nichts gesagt. Süß gönnte sich ein leises Kichern.
    »Lachst du über mich, kleiner Mann?«, fuhr Lockweg ihn an.
    »Ich lache, und du stehst hier«, sagte Süß. »Daraus kannst du deine eigenen verdammten Schlüsse ziehen. Und jetzt ab mit dir, berichte Sangied, was ich gesagt habe.«
    Er sah Lockweg noch lange missgestimmt nach, wie der und sein Pferd sich in einen schwarzen Fleck vor dem Sonnenuntergang verwandelten. Diese Geschichte würde in der Legende von Dab Süß vermutlich keinen Platz finden, dachte er. Das bittere Brennen war schlimmer denn je. Aber was blieb ihm übrig? Er konnte schließlich nicht ewig Trupps durch die Große Ebene führen, oder?
    »Man muss sich was fürs Alter zurücklegen«, brummte er. »Mit einem solchen Traum ist man doch wohl nicht gierig, oder?«
    Mit zusammengekniffenen Augen blickte er hoch zu Weinender Fels, die sich ihr Haar nun wieder mit der zusammengedrehten Flagge hochband. Die meisten Männer hätten vielleicht nichts bemerkt. Aber er, der sie schon seit so vielen Jahren kannte, sah die Enttäuschung in ihrem Gesicht. Oder vielleicht war es auch nur seine eigene, die sich darin spiegelte wie in einem stillen See.
    »Ich war nie ein verdammter Held«, stieß er hervor. »Auch, wenn alle etwas anderes behaupten.«
    Sie nickte, als sei auch das eben der Lauf der Dinge.
    Das Volk hatte sein Lager zwischen den Ruinen aufgeschlagen, und Sangieds hohe Hütte war an einer Stelle errichtet worden, die der herabgefallene Arm einer großen Statue begrenzte. Niemand wusste, wen dieses Standbild einst dargestellt haben mochte. Einen alten Gott, der verschieden und in die Vergangenheit gestürzt war. Und Lockweg schien es, als ob das Volk schon bald denselben Weg antreten würde, um ihm dort Gesellschaft zu leisten.
    Das Lager war ruhig, und es gab nur wenige Hütten; die jungen Männer waren ausgezogen, um zu jagen. Auf den Trockengestellen hingen nur magere Fleischstücke. Die Schiffchen der Deckenweber klackerten und ratterten, zerhackten die Zeit in hässliche Augenblicke. Das war nun aus seinen Leuten geworden, die einst die Große Ebene beherrscht hatten. Sie webten Decken für kargen Lohn und stahlen Geld, um sich von ihren Zerstörern das zu kaufen, was ihnen von Rechts wegen hätte gehören sollen.
    Im Winter waren die Schwarzen Flecken gekommen und hatten die Hälfte der Kinder geholt, schwitzend und stöhnend. Sie hatten ihre Hütten verbrannt und die heiligen Kreise in die Erde gezogen und die richtigen Worte gesprochen, doch es hatte nichts genützt. Die Welt veränderte sich, und die alten Rituale hatten keine Kraft mehr. Die Kinder waren trotzdem gestorben, die Frauen hatten trotzdem gegraben, die

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