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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nevada Barr
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einverstanden, würde Buck, der mutige Ranger aus dem Hinterland, sie als Leibwächter begleiten.
    Joan war natürlich einverstanden.

14
    Wie sich herausstellte, war es nicht die Tatsache, dass sie mit einem möglichen Mörder durch die Wildnis marschierte, die an Annas Nerven zerrte. Es war eher die Gesellschaft eines Jugendlichen, dessen Stimmung auf unangenehme Weise zwischen Trotz und Gejammer hin und her schwankte. Anna musste sich mit Leibeskräften an ihre hart erkämpfte Reife klammern, um sich nicht davon provozieren zu lassen. Joan, gepanzert mit aufrichtigem Mitgefühl, schien gegen seine gelegentlichen pubertären Seitenhiebe hingegen immun zu sein. Ganz im Gegensatz zu Anna, der es lediglich gelang, sich nichts anmerken zu lassen. Wie die meisten Teenager, die sie kannte, konnte Rory sehr nett sein. Oder eben ein wahres Ekel. Wie wärmegesteuerte Raketen besaßen Menschen zwischen vierzehn und achtzehn Jahren offenbar die unheimliche Fähigkeit, Schwachstellen anderer zu erspüren und mit beängstigender Genauigkeit mitten hineinzustoßen.
    Muss hormonell sein, dachte Anna, während sie mühsam ein Zusammenzucken unterdrückte, da Rory gerade die Generation der besten Rockmusiker der Welt als »überbewertete Kaugummiverkäufer« bezeichnet hatte. Schließlich gab es für sie ja noch eine Hoffnung: Vielleicht würde sie in den Wechseljahren, wenn sie eine umgekehrte Pubertät durchlief, ebenfalls so atemberaubend gefährlich werden – allerdings nur für kurze Zeit.
    Bis es so weit war, musste sie sich auf das bewährte Durchhaltevermögen der mittleren Jahre verlassen und die Kraft und den Tatendrang der Jugend durch Ausdauer wettmachen. Als es heißer und der Weg den Flattop Mountain hinauf steiler und staubiger wurde, beschleunigte sie ihren Schritt und marschierte allein voran. Zumindest beinahe. Denn ihr auf den Fersen folgte, beinahe ebenso verstockt wie Rory Van Slyke, Ponce, der zehnjährige Wallach, der im Park als Packpferd diente. Da Anna als DNA -Helferin und als Harry Ruicks Assistentin doppelte Pflichten hatte, würde sie ein zu großes Gebiet abdecken müssen, um es zu Fuß bewältigen zu können. Jedoch hatte sie sich aus Herzensgüte – oder in einem Zustand geistiger Umnachtung – erboten, die ersten zwanzig Kilometer, sechs davon nahezu senkrecht bergauf, zu Fuß zu gehen, damit Ponce Rorys und Joans Rucksäcke tragen konnte.
    Buck würde in Fifty Mountain mit ihnen zusammentreffen, wo sie die Nacht verbringen wollten. Am Vormittag sollte er mit Rory und Joan die Haarfallen abklappern, sodass Anna und Ponce den Großteil des Tages für sich sein würden. Wenn möglich, würde sie zusammen mit dem DNA -Forschungsteam campieren. Harry hatte darauf bestanden, nicht nur wegen Rory und Joans Sicherheit, sondern auch zu Annas Schutz. Sie hatte ihm nicht widersprochen. So gern sie auch allein zeltete, konnte sie nicht hundertprozentig sicher sein, dass sich der Frauenmörder nicht noch immer im Park herumtrieb.
    Trotz ihrer besten Zen-Absichten blieb ihr Verstand während des stundenlangen Marsches nach Fifty Mountain nicht leer. Als sie das verbrannte Gebiet erreichten, musste sie an den seltsamen Mr Mickleson-Nicholson und die von ihm ausgegrabenen Gletscherlilien denken. An der Stelle auf dem Pfad, wo Rory den Wanderern in die Arme gelaufen war, tanzten Bilder von außerirdischen Wasserflaschen vor ihrem geistigen Auge. Doch die Erkenntnis ließ auf sich warten, sodass sie am späten Nachmittag ebenso stumpfsinnig vor sich hin trottete wie Ponce und fast so froh war wie er, endlich am Zeltplatz zu sein.
    Dort wurden sie von Buck empfangen, der seine kräftigen Hände und seinen starken Rücken zur Verfügung stellte, um alles abzuladen und das Pferd zu füttern. Da Grasen nicht gern gesehen wurde, hatte Ponce nicht nur die Ausrüstung, sondern auch sein eigenes Trockenfutter im Gepäck.
    William McCaskil hielt sich noch immer in Fifty Mountain auf – zumindest befanden sich sein Zelt und sein Rucksack noch auf demselben entlegenen Lagerplatz wie vor zwei Tagen.
    Nachdem das Zelt aufgeschlagen war, gönnte sich Anna den Luxus einer Tasse heißen Tee, bevor sie sich an die Arbeit machte, den verbrecherischen McCaskil zu suchen, um ein zweites Schwätzchen mit ihm zu halten.
    Die Sonne versank hinter dem Berg und zog die Wärme des Tages mit sich in die Tiefe. Während dieses Zusammenstoßes von Tag und Nacht beschloss die Natur, einen ihrer prachtvolleren Momente auf die Menschheit

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