Blutkrieg
traf erneut, und wieder zersplitterte etwas.
Ein schrilles Kreischen erschallte, und irgendetwas Großes,
Glitzerndes glitt von seiner Brust und humpelte auf viel zu
vielen Beinen davon. Schmerzen tobten auf feurigen Schwingen
durch seinen Körper, und eine wattige Schwärze begann ihn
einzulullen. Ihm war kalt, unglaublich kalt.
Wieder war es Abu Duns Stimme, die ihn rettete. »Andrej«,
stöhnte der Nubier. »Hilf mir!«
Mühsam wälzte sich Andrej auf den Rücken, presste die Hand
gegen seine aufgerissene Kehle und versuchte, des grausamen
Schmerzes Herr zu werden, der in seinem Leib wühlte. Seine
fantastischen Kräfte, die ihn schon so oft gerettet hatten, drohten
ihn nun im Stich zu lassen. Er fühlte sich schwach, und ihm war
entsetzlich kalt, als hätte die Kreatur ihm nicht nur alle Wärme
genommen, sondern noch viel mehr. Er wollte sich nur noch
fallen lassen.
Er hatte keine Kraft mehr, zu kämpfen.
Aber da war noch Abu Dun, aus dessen Flehen mittlerweile
ein kraftloses Wimmern geworden war. Wenn er starb, wenn er
aufgab, dann würde auch Abu Dun sterben.
Stöhnend öffnete er die Augen, wälzte sich herum und stöhnte
noch einmal auf; dieses Mal aber vor Entsetzen, als er den
Nubier sah. Abu Dun lag nur eine Handspanne neben ihm auf
dem Rücken. Seine Glieder zuckten, als hätte er Krämpfe, und
auf seiner Brust hockte ein großes, aufgedunsenes … Ding,
schwarz und glitzernd und mit zahllosen Beinen und glotzenden
Augen wie eine Faust voller fauliger Beeren, und mit
schrecklichen Fängen, die sich tief in Abu Duns Kehle gegraben
hatten und ihn ausschlürften.
Andrej schrie vor Ekel und Entsetzen gellend auf, riss sein
Schwert aus dem Gürtel und schlug mit aller Gewalt zu.
Das Unglaubliche geschah.
Vielleicht lag es an der unglücklichen Lage, aus der heraus er
den Hieb führte, vielleicht hatte das Ungeheuer ihm doch mehr
Kraft genommen, als er geahnt hatte.
Die Klinge aus rasiermesserscharfem Damaszenerstahl prallte
vom Panzer der Kreatur ab, ohne ihn durchdringen zu können.
Aber sie kappte die letzten Glieder seines hinteren Beinpaars.
Mit einem schrillen, an das Geschrei hysterischer Hyänen
erinnernden Kreischen rutschte das grauenhafte Geschöpf von
Abu Dun herunter, fiel auf den Rücken und verspritzte einen
Moment lang schwarzes Blut, als es wild mit den Beinen
strampelte, bevor Andrei ihm mit aller ihm verbliebenen Kraft
einen Fußtritt gab.
Mit einem dumpfen Knall prallte es gegen die Wand, rappelte
sich wieder auf und stieß ein wütendes Zischen aus, als es zu
Andrej herumfuhr. Wenn es ihn jetzt angriff, das wusste er, dann
wäre er zu schwach, sich zu wehren.
Doch das Ungeheuer fauchte ihn noch einmal böse an und
huschte dann hastig und auf verkrüppelten Beinen davon.
Andrej drohten die Sinne zu schwinden. Die schreckliche
Wunde in seinem Hals blutete schon nicht mehr so heftig und
würde sich in wenigen Augenblicken ganz schließen. Aber seine
Kräfte schwanden von Minute zu Minute und die Kälte nahm
von seinem Körper Besitz.
Mit einer Willensanstrengung, von der er selbst nicht wusste,
woher er die Kraft dazu nahm, stemmte er sich hoch, kroch zu
Abu Dun und beugte sich über ihn. Der Nubier hatte das
Bewusstsein verloren, aber er lebte, und die Bisswunden an
seinem Hals waren nicht annähernd so tief wie die, die er selbst
davongetragen hatte, sodass Abu Dun nicht in Gefahr war, zu
verbluten.
Dennoch erschrak Andrej bis ins Mark, als er das Gesicht
seines Freundes betastete und spürte, wie kalt der Nubier war.
Nur einen Moment später …
Etwas raschelte hinter ihm. Andrej fuhr alarmiert herum, und
für einen winzigen Moment glaubte er, dem Blick grausamer
schwarzer Augen zu begegnen, die ihn voller Hass und
unstillbarer Gier anstarrten, doch dann entfernte sich das
Rascheln und Scharren chitingepanzerter Beine wieder, und sie
waren allein.
Der Hexenfelsen
»Dort!« Fjalars Hand deutete nach Norden, oder zumindest in
die Richtung, von der sie annahmen, dass dort Norden war.
Ganz sicher sein konnte Andrej nicht, in einem Land, das für
alle Zeiten auf dem schmalen Grat zwischen Dämmerung und
Nacht erstarrt zu sein schien. Er wusste längst nicht mehr, wann
er das letzte Mal einen Sonnenauf- oder -untergang gesehen
hatte, ebenso wenig, wann er das letzte Mal die Sonne selbst
gesehen hatte. Der Himmel über ihnen war eine monotone graue
Fläche, auf die sich nicht einmal eine Wolke wagte. Natürlich
wusste Andrej, dass
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