Blutkult (German Edition)
voneinander unterscheiden mag“, sagte Larkyen. „In einer Zeit wie dieser, lasst uns nicht länger darüber grübeln, was uns unterscheidet, was die Welt zerriss, sondern lasst uns an dem festhalten, was uns gleichmacht, worin wir uns ähneln: Am Willen zum Leben, und dem Willen, dafür zu kämpfen, an dem Willen zum Frieden und zur Hoffnung auf die Zukunft. Wenn wir das beherzigen, wird es in Zukunft nur noch eine Welt geben.“
„ Zukunft“, seufzte Regar, „ja, so soll es sein. Die Bedrohung ist von unserer Heimat abgewendet, Laskun ist und bleibt ein freies Land.“
Jemand lachte. An einem der Bäume, lehnte eine blutüberströmte Gestalt. Die silberne Rüstung die sie trug, war geborsten, das Gesicht durch Bisswunden bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
„ Jämmerliche Brut, eure Freiheit ist der Hohn. Ihr habt es also wahrlich vollbracht, meinen Vater zu besiegen?“
„ Beliar!“
„ Ich bin es“, ächzte der Verwundete, „oder was die verfluchten Wölfe von mir übriggelassen haben.“
„Es ist vorbei.“
„ Du irrst dich, Larkyen. Mein Vater sandte bereits vor und während eurer Ankunft Strygarer in die Welt hinaus, auf das sie würdige und starke Menschen durch ihren Biss in meinesgleichen verwandeln. Und mit jenem Geschenk werden sie auch die Lehre über die größten Feinde der Strygarer verbreiten: Die Söhne und Töchter der schwarzen Sonne.“
Beliar hustete Blut, und während seine Augen im Todeskampf weit aufgerissen waren, gruben sich seine verkrampften Finger in die Erde unter ihm, als könne ein Festhalten an diesem verfluchten Stück Land, den Tod hindern, ihn mit sich zu nehmen. Mit schwächer werdender Stimme rief er: „Ihr mögt hier und heute gesiegt haben, doch ein neues Volk marschiert über die Welt, der Kult von Nemar wird fortbestehen, und er ist machtvoll. Wir sind Strygarer!“
Unter einem Blutschwall tat Beliar, der Sohn des Fürsten von Nemar, seinen letzten Atemzug. Und mit ihm starb auch das Fürstentum in Laskun für alle Zeit.
„ Seht!“ rief Ayrus. „Ich vermag meinen Augen kaum zu trauen.“
Aus den Sümpfen wankte ein Krieger heran. Die weißen Knochen seines fleischlosen Schädels hoben sich deutlich von der schwarzen Rüstung ab. Lidlose Raubtieraugen starrten aus tiefen Höhlen, erfüllt von wacher Intelligenz.
Im Gesicht des Runenmeisters regierte die schiere Freude.
„ Ich dachte, wir hätten dich verloren.“
Der Unterkiefer bewegte sich, teilte das Grinsen bloßliegender Zahnreihen. Aus der rosafarbenen Mundhöhle drang die Stimme Logreys: „Alter Freund, im Angesicht dieses Sieges erspare mir jegliche Floskeln, denn die Sterblichen beobachten uns. Wir haben genug Schlachten geschlagen, so dass du wissen solltest, dass ich mich auch allein gegen ein ganzes Heer zu behaupten weiß. Was mich nicht umbringt, macht mich stärker!“
Langsam und mit knackenden Halswirbeln fuhr Logreys Schädel zu Larkyen herum: „Du hast deinen Feldzug zu Ende geführt, Sohn der dritten schwarzen Sonne. Der Feind ist besiegt.“
„ Dieser Sieg hat uns viel gekostet.“
„ Tarynaar!“
„ Und auch unter den Männern aus Wehrheim sind viele im Kampf gefallen. Ja, Logrey, sie kämpften und starben an unserer Seite, für eine gemeinsame Sache und selbst das Versprechen auf ewiges Leben hat keinen von ihnen im Angesicht des Todes an Verrat denken lassen.“
„ Es ist an der Zeit, Abschied zu nehmen.“
„ Ja, von all unseren toten Gefährten die in Nemar kämpften und starben.“
Nur kurz blickte Logrey zu den Überlebenden aus Wehrheim, dann wieder zu Larkyen. Der Kyaslaner überlegte kurz, dann nickte er und sprach: „Die Gefallenen sollen gemeinsam bestattet werden. Wenn ein Kind der schwarzen Sonne stirbt, so übergeben wir gemäß altem Brauch seinen Leib dem Feuer und seine Asche dem Wind. Heute Nacht sollen all unsere Toten gemeinsam brennen.“
Larkyen führte seine Gefährten zu dem Brunnen des Lebens. Schweigend verharrten sie lange Zeit vor Tarynaars Leichnam. Längst war jeglicher Glanz in den Augen des Toten erloschen, die Haut seines Gesichts so weiß geworden wie sein Haar. Seine harten nordischen Züge waren in einem Ausdruck von grimmiger Verachtung erstarrt, die Lippen geschlossen. Im Moment seines Todes war kein Schrei, kein Winseln über seine Lippen getreten. Und wenn er auch, grausam zugerichtet, mit verschmolzener Rüstung auf einem kalten Steinaltar lag, so strahlte er noch die gleiche Erhabenheit aus wie in den
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