Blutland - Von der Leidenschaft gerufen
Nacht hereinbrach, hielten wir an, um ein Feuer zu machen. Criminy fing mir ein Bludhäschen und röstete es über dem Feuer, und ich versuchte, es nicht gleich im Ganzen hinunterzuschlingen. Wir saßen auf alten Holzstämmen, wärmten uns die Hände an den fröhlich prasselnden Flammen, und Criminy erzählte mir Märchen aus Sang und kleine Geschichten aus seiner Kindheit in Devlin. Er war ein so naturbegabter Unterhaltungskünstler, dass ich meine Probleme beinahe vergaß. Es fiel mir leicht, mich in seinen Worten zu verlieren, ihm zu folgen mit Lachen und Weinen, und ihn mir als Kind vorzustellen, hübsch und spitzbübisch in den Straßen einer weit entfernten Stadt.
»Mehr«, bat ich. »Bitte. Nicht aufhören.«
Mit einem Grinsen tanzte er, führte magische Tricks vor und sang ein schwermütiges Schlaflied in der tiefen, raunenden Sprache der Bludleute. Er machte Schattenspielerfiguren vor dem Rauch und warf Glitzer hinein, der das Feuer blau leuchten ließ, und als ich sein erwartungsvolles Lächeln sah, war ich schier überwältigt vor Anbetung und Dankbarkeit. So langsam begann ich zu glauben, dass es nichts gab, was er nicht konnte. Da waren wir, auf der Straße, auf der Flucht, und er schaffte es, mir das Gefühl zu geben, als seien wir Kinder auf einem Campingausflug. Das war eine wertvolle Gabe, und es war nicht seine einzige.
»Genug, Liebes. Wie haben noch eine Menge Zeit, um unseren Spaß zu haben. Doch heute Nacht brauchst du deinen Schlaf«, meinte er schließlich.
»Aber ich genieße es so sehr«, widersprach ich. »Ich will nicht, dass der Morgen kommt.«
»Es ist so leicht, so zu tun, als ob, nicht wahr?«, fragte er. Er wusste, was ich dachte. »Dass das alles ist? Leben für den Augenblick, ohne Sorgen?«
»Ich weiß, was du sagen willst. Leicht zu haben hat nicht viel Wert«, sagte ich mit betrübtem Lächeln und streckte die Hand nach ihm aus.
»Deine Hand in meiner ist eine Menge wert, Letitia«, antwortete er und half mir hoch. »Genau dafür werde ich morgen kämpfen.«
Zu meiner eigenen Sicherheit schliefen wir in unserer Kutsche direkt an der Straße, in dem engen Raum seltsam unbequem aneinandergedrängt. Ich hatte gefürchtet, dass das Ganze peinlich wäre, aber wir waren so staubig und erschöpft, dass wir uns zu einem Haufen zusammenknautschten und sofort weg waren, nach einem Kuss, so kurz und lodernd wie ein Streichholz, das ausgepustet wird.
Am nächsten Morgen erwachte ich mit meinem Kopf an seiner Schulter und einem Lächeln. Meine Träume waren friedlich gewesen, voller Dämmerlicht, Weinranken und Musik aus der Ferne, wie das Schlaflied der Bludleute. In meinem Traum hatte er mich gelehrt, einen Schmetterling zu beschwören. Ich wollte nicht aufwachen. Aber natürlich wachte ich trotzdem auf, denn ich fühlte mich, als würde uns irgendwie die Zeit davonlaufen.
Als ich gähnte, schlug Criminy die Augen auf und streckte die Hand aus, um meine Wange zu streicheln. Ich lächelte ihn an, und er setzte sich auf und streckte sich.
»Zeit, die Häschenhorden zurückzuschlagen«, verkündete er galant; er wusste, dass jetzt jedes bluthungrige Tier in der Umgebung da draußen auf eine Kostprobe von mir wartete.
Er warf die Tür auf und rief: »Häschen, macht euch bereit, euer Ende ist gekommen!«
Doch dann erstarrte er.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Bleib hier«, befahl er mir leise.
Er kletterte aus der Kutsche und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Ich spähte durch die Vorhänge und staunte wieder einmal darüber, dass Sang so unglaublich bizarr sein konnte.
Um unsere Kutsche lagen Dutzende Bludhäschen herum, alle tot. Auf der anderen Seite der Straße parkte ein altmodischer Zigeunerwagen, an dem eine weiße Bludstute angespannt war, die schwermütig den grauen Kopf hängen ließ. Auf dem Schild, das an dem blassroten Wagen aufgenagelt war, stand Madam Burials Schlangenöle: Einreibemittel, Salben, Tränke und Tinkturen für all’ Übel von Leib und Seele . Der Wagen war fest verschlossen und der Kutschbock leer. Dafür schaukelte jemand sachte in einem Schaukelstuhl auf einer kleinen Hinterveranda, mit einer langen Pfeife, von der ein dünner Rauchfaden aufstieg.
»Ich habe nach dir gesucht«, rief eine volle, rauchige Stimme.
»Wie ich sehe, hast du deinen Nachnamen geändert, Hepzibah«, antwortete Criminy.
»Merrywell passte nicht«, meinte sie. »Immerhin reimt er sich beinahe.«
»Ich bin hier, Madam«, sagte er, und seine Stimme klang müde und
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