Blutleer
mehr. Auch den Wein ließ sie stehen.
Sie ging ins Bett und hoffte, dass sie eingeschlafen wäre, ehe Thomas wieder da war. Aber sie lag das erste Mal seit langer Zeit wieder in dem riesigen Bett, und sie fühlte sich fast fremd darin.
Die Uhr sagte, dass eine Stunde vergangen war, als Thomas endlich wieder herunterkam. Er machte kein Licht an, als er ins Bett schlüpfte.
»Hast du etwas erreicht?«, fragte Barbara in die Dunkelheit.
»Ich dachte, du schläfst längst.« Er knipste die Bettbeleuchtung an. »Ich denke, sie wird sich einweisen lassen.«
»Du denkst?«
Thomas schien über ihre Zweifel gekränkt zu sein. »Sie hat es jedenfalls eingesehen, dass mit ihr etwas nicht stimmt und dass sie Hilfe braucht. Sie möchte gern, dass ich ihr helfe, aber ich habe ihr zu verstehen gegeben, dass ich dazu nicht in der Lage bin. Und ich denke, sie hat es eingesehen. Ich habe sie gebeten, es für mich zu tun.«
»Und ihr Versprechungen gemacht.« Sie wandte sich ab.
»Der Zweck heiligt die Mittel. Das ist doch oft genug auch dein Motto gewesen, Barbara.«
»Ich will mich nicht streiten, Thomas. Mach bitte das Licht aus.«
Er tat es. »Ich will mich auch nicht streiten. Das wollte ich nie.« Er rückte näher an sie heran und sie wusste, dass es albern war, weiter zurückzuweichen. Sie ließ es zu, dass er seinen Arm um sie legte. Eigentlich müsste sich das gut anfühlen, dachte Barbara. Aber vielleicht störte der Gedanke an Katharina zu sehr.
»Ich bin zu müde.« Mit diesen Worten streifte sie seinen Arm ab.
5.
Wirklichen Schlaf hatte Barbara nicht gefunden, vielleicht gegen Morgen, kurz bevor ihr Wecker klingelte. Sie wollte pünktlich im Präsidium sein. Zwar würde sie an der S-Bahn-Aktion nicht teilnehmen – das Privileg der externen Beraterin –, aber sie war neugierig, wie die Soko es anstellen würde, möglichst effektiv und schnell die von der Staatsanwaltschaft geforderte Maßnahme durchzuziehen.
Sie hoffte, dass sie zusammen mit Thomas vorher noch Katharina in der Klinik in Grafenberg abliefern konnte. Sie zog sich rasch an.
»Und? Wie sieht’s aus? Ist sie fertig?«, fragte sie, als sie in die Küche kam.
»Sie möchte gern noch einen Tag darüber nachdenken«, sagte Thomas.
Barbara stoppte mitten in ihrer Bewegung. »Ich nehme an, sie möchte das hier tun.« Sie konnte ihm ansehen, dass ihm das Kopfzerbrechen machte. Was sie nicht verstand, war, dass ein Mann mit so viel innerer Stärke sich von einer kleinen Psychopathin derart einwickeln ließ.
»Ich … ich könnte sie nach Pempelfort bringen, wenn du sie nicht hier im Haus haben willst.«
»Das wirst du auf keinen Fall tun.« Barbara war empört. Sie liebte die Pempelforter Wohnung. »Hast du mir gestern nicht zugehört? Sie ist gefährlich.«
Er schüttelte den Kopf. »Barbara, ich glaube, da übertreibst du ein bisschen. Du hast einfach zu viel mit wirklich gefährlichen Menschen zu tun. Sie hat gestern doch nur um sich geschlagen, weil du sie erschreckt hast.«
»Ich werde mit ihr reden.« Sie war schon halb an der Treppe, aber er hielt sie zurück.
»Barbara, das halte ich nicht für gut. Sie hat Angst vor dir.«
»Die hat sie zu Recht. Ich bin nämlich gerade sehr wütend.«
»Barbara, bitte.« Thomas sah sie flehend an. Das hatte er noch nie getan. »Bitte lass ihr diesen einen Tag.« Er suchte nach einer Lösung, denn Barbara war wirklich entschlossen, hart zu bleiben. »Bitte, lass sie erst mal bleiben, ich rede noch einmal mit ihr und dann sorge ich dafür, dass sie die nächste Nacht in der Psychiatrie verbringt.«
»Heute Abend ist sie nicht mehr hier. Oder ich verlasse dieses Haus. Das ist mein Ernst.«
»Gut. Sie wird nicht mehr da sein, Barbara, versprochen.«
»Und du wirst sie nicht nach Pempelfort oder in ein Hotel bringen, Thomas. Sie ist krank.«
Barbara verließ die Küche und griff nach ihrer Tasche. »Denk daran: Wenn sie heute Abend noch hier ist, gehe ich.« Und zur Bestärkung knallte sie die Haustür zu.
Natürlich kam sie zu spät zu der Besprechung. Die Teams waren bereits eingeteilt. Rebecca Langhorn war erst morgens um neun zur Arbeit gefahren, und Herborn hatte abwechselnd Mittag-und Frühschicht, also konzentrierten sich die Teams zunächst auf diese Personen. Die Ersten brachen schon nach Düsseldorf auf, bewaffnet mit Fotos von Rebecca Langhorn und Hirschfeld. Die alte Frau Koslinski war mehrfach in der Woche um ein Uhr zu ihren Enkeln von Wattenscheid nach Bochum unterwegs gewesen. Sie
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