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Blutleer

Blutleer

Titel: Blutleer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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versorgte deren Haushalt und fuhr nachmittags zwischen vier und fünf wieder zurück nach Bochum. Die kleine Fatma war etwa um dieselbe Zeit in Dortmund auf dem Weg zur Musikschule.
    Die Personen, die bereits von Sven im Fall Janicek befragt worden waren, wurden für die nächste Woche nochmals ins Präsidium gebeten.
    Technisch sollte die Aktion so laufen, dass eine Gruppe von vier Beamten möglichst alle Personen einer S-Bahn-Linie erfasste. Zunächst, ob sie regelmäßig fuhren und – wie es die Gewohnheit der meisten Pendler war – ob sie immer in den gleichen Wagen einstiegen. Dann, ob ihnen das Opfer bekannt war, und schließlich, ob sie Hirschfeld schon einmal gesehen hatten. Von allen befragten Personen wurden mit deren Einverständnis die Personalien aufgenommen und Fotos gemacht.
    Für die Staatsanwaltschaft war das ein sichtbares Zeichen, dass hart an dem Fall gearbeitet wurde. Aber Barbara wusste, dass noch mehr dahintersteckte: Bei Tätern wie Hirschfeld war der Grad zwischen Schuldfähigkeit und Schuldunfähigkeit sehr schmal. Man wollte, dass er ins Gefängnis kam und nicht gleich in die Psychiatrie, denn die Volksseele kochte, und nicht wenige forderten Rübe ab! oder Kastration, wie viele Leserbriefe oder Passantenreaktionen im Fernsehen zeigten.
    Am meisten hasste Barbara es, sich ihren Weg durch Reporter und Kameras ins Untersuchungsgefängnis bahnen zu müssen. Eigentlich hätte heute der Tag von Hirschfelds Verlegung in die Forensik für das psychiatrische Gutachten sein sollen. Irgendwie war es durchgesickert, dass die Verlegung anstand und sich die Chance eröffnete, Hirschfeld zu fotografieren oder zu filmen. Seit dem frühen Morgen belagerten die Medienvertreter den Gefängniseingang, obwohl doch wenig mehr als ein Blick auf den ihn abtransportierenden Wagen zu erwarten war. Barbara hoffte, dass Jakubian herausbekam, wer da geplaudert hatte, und wollte nicht in dessen Haut stecken.
    »Frau Dr. Hielmann-Pross«, hielt ihr ein Reporter ein Mikrofon unter die Nase, und zig andere taten es ihm nach, auch die Angelmikros der Fernseh-Tonmänner schwenkten zu ihr. »Wenn Hirschfeld heute verlegt wird …«
    »Wer sagt denn, dass er verlegt wird?«, konterte Barbara mit naivem Augenaufschlag.
    »Meine Quellen.«
    »Ihre Quellen sind schlecht informiert. Heute wird hier gar nichts passieren. Und nun lassen Sie mich bitte durch.«
    »Können Sie uns etwas über Hirschfelds Motive sagen?« Der Mann ließ nicht locker.
    »Kein Kommentar. Wenden Sie sich an die Pressestelle der Staatsanwaltschaft.«
    Sie bahnte sich ihren Weg zum Tor, und kurze Zeit später saß sie wieder in dem kleinen, kahlen Besuchsraum und wartete, dass man ihr den Gefangenen brachte.
    Als sie ihn in der Tür sah, erschrak sie. Sein linkes Auge war fast zugeschwollen.
    »Warten Sie hier«, sagte sie und verließ den Raum. Der Beamte, der Hirschfeld begleitet hatte, stand vor der Tür.
    »Was ist mit dem Gefangenen passiert?«
    Der Mann brauchte einen Moment, ehe er antwortete. »Nun – es gab eine … eine kleine Rangelei.«
    »Mit Hirschfeld? Er war bisher absolut friedlich.«
    Der Mann blickte verlegen zu Boden. Barbara wurde wütend. »Hören Sie, ich bin sicher, dass er von sich aus niemanden angegriffen hat. Also, was war los? Hatte er Kontakt zu einem Mitgefangenen?«
    Gewöhnlich sprachen sich die Dinge im Knast schnell herum, und mit der kleinen Fatma hatte Hirschfeld schließlich ein Kind ermordet.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Er … er war pampig gestern Abend.«
    »Pampig? Pampig zu wem?« Barbara sah, dass der Mann in höchsten Gewissensnöten war. »Wie heißt der Kollege?«
    »Seine Tochter ging mit Julia Janicek zur Schule.«
    »Billigen Sie sein Verhalten etwa?«
    Der Beamte sah Barbara entsetzt an. »Nein! Aber …« Dann gab er auf. »Ulf Maier. Hirschfeld hat sich aufgeführt, als wäre er ein Promi. Schaut her, ich bin ein Serienmörder. Und da hat Ulf einfach rotgesehen. Er hat, seit Julia Janicek gefunden wurde, immer davon geredet, dass es auch seine Tochter hätte treffen können. Ein gehörloses Mädchen! Die hat doch gar keine Chance, so einem Mörder zu entkommen!«
    »Verdammt, wie kann man nur so dämlich sein. Wenn irgendjemand ein Bild von Hirschfeld schießt und eine Gesichtshälfte ist ganz blau, was für ein Licht wirft das auf die Justiz?«
    »Wir sind auch nur Menschen«, sagte der Beamte.
    Barbara beruhigte sich wieder etwas. »Es tut mir Leid, aber ich muss Ihren Kollegen leider melden.

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