Blutleer
Eheberater gehen. Thomas ist schon auf der Suche nach jemandem.«
»Gut. Das sollte euch eure Ehe wirklich wert sein.« Aber er wirkte nicht sehr überzeugt. Schnell trank er sein Glas aus und schenkte nach. »Und was macht der Serienmörder?«
Barbara lehnte sich zurück. Jetzt konnte das Gespräch entspannter werden. Sie war froher über Heinz’ Themenwechsel als ihr lieb war. »Er redet und redet, beschreibt die kleinsten ekelhaften Details der Misshandlungen und tödlichen Verletzungen und geilt sich daran auf.«
»Aber irgendetwas beunruhigt dich bei der Geschichte, nicht wahr?«
Sie nickte. Die langen Jahre, in denen sie immer wieder mit Heinz gearbeitet hatte, hatten sie für ihn zu einem offenen Buch werden lassen. »Er hat nicht einmal etwas dazu gesagt, warum er sich gestellt hat.«
»Und was vermutest du?«
»Er ist publicitygeil. Ich weiß, dass sein Anwalt schon mit Zeitschriften verhandelt. Aber irgendwie passt das nicht zusammen. Die unglaubliche Befriedigung, die er beim Morden empfindet, und das Aufhören. Und ich kenne eigentlich keinen Fall, bei dem sich ein Serienmörder gestellt hätte. Viele haben den Wunsch, gefasst zu werden, ja. Und sie legen Spuren, die man nicht übersehen kann, damit sie geschnappt werden, auch das hat es gegeben.« Barbara seufzte. »Ich kann den Finger nicht drauflegen. Er hat die Morde ganz sicher begangen, aber ich habe keine Ahnung, wie er tatsächlich tickt.«
»Vom polizeilichen Standpunkt her kann uns das eigentlich egal sein.«
Barbara wünschte, sie könnte Heinz’ pragmatische Einstellung teilen. »Solche Ansichten haben schon oft in die Irre geführt. Aber du hast Recht. Er ist aus dem Verkehr, er wird niemanden mehr ermorden.« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Wenn es wenigstens schon länger ginge. Wenn er früher schon …«
»Das meinte Jakubian auch.«
Barbara sah Heinz erstaunt an. »Ruben war hier?«
»Schon mehr als einmal. Er gab vor, Tipps von mir zu brauchen. Dabei kommt er hervorragend zurecht.«
»Er ist einsam.« Barbara schaute weg, als sie das sagte. Wie einsam war Heinz, der nicht einmal mehr die Arbeit hatte, um sich abzulenken?
Heinz ging nicht darauf ein. »Ich habe ihm geraten, auch in der Vergangenheit zu wühlen. Vergewaltigungen zum Beispiel.«
»Ja, das sollten wir unbedingt tun, sobald Zeit dafür ist. So ein Täter kommt nicht aus dem Nichts.«
Als sich Barbara eine halbe Stunde später von Heinz verabschiedete, sagte sie leise: »Am liebsten würde ich bei dir übernachten.«
»Das wäre wohl nicht das Richtige für einen Neuanfang, oder?«
»Nein, bestimmt nicht.«
Heinz stand am Gartentor und winkte ihr nach. Das Gewitter hatte sich ausgetobt, und unter den schwarzen Wolken, die nach Osten zogen, kamen ein paar Sonnenstrahlen hervor.
Je näher sie der Villa kam, desto mehr freute sie sich auf ihr Bad. Das neue Arrangement mit Thomas hatte wirklich seine Vorteile, auch wenn sie heute wieder mit gemischten Gefühlen ihre Wohnung betrat.
Als sie die Tür aufschloss, fiel ihr Blick auf einen schmutzigen kleinen Rucksack, der im Flur lag. Thomas kam ihr entgegen. »Barbara, bitte flippe jetzt nicht aus. Katharina ist hier.«
Barbara ließ ihre Tasche gleich neben den Rucksack fallen. »Ich dachte, das ist vorbei.«
»Das ist es auch. Aber ich konnte sie nicht wegschicken, Barbara. Nicht in dem Zustand. Sieh sie dir doch an!« Er zog Barbara in die Küche.
Katharina hockte zusammengekrümmt auf dem Boden, den Kopf mit den Armen umklammert, und wiegte sich langsam vor und zurück.
»So ist sie, seit ich ihr erklärt habe, dass ich unsere Ehe retten will. Ich glaube, sie dachte, wenn sie lange genug unauffindbar bleibt, dann kriegt sie mich schon dazu, mich für sie zu entscheiden.«
Barbara ging zu ihr und kniete sich vor sie hin. »Katharina?«
Sie reagierte nicht.
»Katharina, hören Sie mir zu.« Vorsichtig versuchte sie, Katharinas Arme vom Kopf zu lösen, aber das Resultat war ein plötzlicher, wilder Angriff begleitet von lautem, unartikuliertem Schreien. Es gelang Barbara jedoch, ihr die Arme festzuhalten, die nach ihr schlugen, zunächst mit beiden Händen, dann nur mit einer. Schließlich gab sie der immer noch hysterisch schreienden Frau eine Ohrfeige.
Das wirkte. Katharina beruhigte sich und sah sie leicht beleidigt an.
Plötzlich stand auch Annette in der Küche. »Was ist denn hier los? Streitet ihr euch?«
»Nein, Annette, noch nicht.« Sie fühlte, wie Zorn in ihr hochstieg. »Darf ich dir
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