Blutleer
aber ich bin ein guter Vater. Nur das Gericht war anderer Meinung. Petra hatte schwerstes Geschütz aufgefahren, um mich auf Dauer von ihm fern zu halten.«
»Und deshalb bist du weg aus Hannover?«
»Ich weiß, ich hätte Dummheiten gemacht. Hätte an der Schule auf Jan gewartet oder ihn nach dem Fußballtraining abgepasst. Ich konnte es nicht ertragen, dass er so nah sein sollte und trotzdem unerreichbar.
»Wie alt ist er denn?«, fragte Barbara.
»Zwölf.«
»In zwei Jahren ist er vierzehn. Und wenn du wirklich so ein guter Vater bist – woran ich keinen Augenblick zweifle –, dann wird er dich sehen wollen und wieder Kontakt zu dir haben.«
»Wer weiß, was sie ihm über mich erzählt.«
Für einen Moment blitzte Wut in seinen Augen. »Ich bestrafe sie gerade, indem ich darauf bestehe, dass unsere Wohnung verkauft wird. Ich will nicht, dass sie mit ihrem neuen Mann dort lebt. Und weißt du was?« Barbara konnte deutlich sehen, dass seine Augen voller Tränen waren. »Ich fühle mich beschissen dabei.«
Er wischte sich über die Augen und sah Barbara an. »Das sind Probleme, die du nicht nachvollziehen kannst, oder? Du hast keine Kinder.«
»Ich kann aber nachvollziehen, wie das ist, wenn man von jemandem, den man liebt, fern gehalten wird. Und ich kann gerade jetzt verdammt gut nachvollziehen, wie das ist, betrogen zu werden.« Sie starrte auf den Tisch.
»Komm, Barbara, wir haben zwar jeder schon ein Bier zu viel, aber wir sollten jetzt nach Hause fahren und endlich etwas schlafen.«
»Du hast Recht.«
Er winkte dem Kellner und zahlte für beide. Als sie an die Treppe der Galerie kamen, hielt ein Gast sie auf. »Entschuldigen Sie bitte. Meine Freunde und ich streiten schon die ganze Zeit darüber, ob Sie dieser Polizist sind, der aus dem Fernsehen mit dem Serienmörder.«
»Nein, da verwechseln Sie mich«, sagte Ruben. »Aber das passiert mir nicht zum ersten Mal, seit dieser Kerl dauernd im Fernsehen ist.«
Er ging mit Barbara hinaus. Draußen konnten die beiden ihr Lachen nicht mehr unterdrücken, und sie merkten, wie gut ihnen das tat. Den ganzen Weg bis zum Polizeipräsidium alberten sie herum, und das Lachen brach immer wieder aus ihnen heraus. An Barbaras Wagen verabschiedeten sie sich, beide hatten wieder Tränen in den Augen, doch es waren Lachtränen. Jakubian wurde für einen Moment wieder ernst. Er vergewisserte sich, dass sie keiner beobachtete, dann umarmte er Barbara, die für einen Moment fast völlig in seinen Armen verschwand. »Danke«, sagte er leise und ließ sie wieder los.
»Wofür?«
»Fürs Dasein. Und Zuhören.«
»Es gibt sicher viele, die das besser können. Du zum Beispiel.«
Er lächelte nur. »Gute Nacht!«
»Gute Nacht!«
Sie sah, wie er über den schwach beleuchteten Parkplatz zu seinem Wagen ging, und spürte jetzt noch die Wärme in seiner Stimme und seiner Umarmung. Und plötzlich tat es ihr weh, weil ihr klar wurde, wie sehr und wie lange sie diese Wärme vermisst hatte.
Als sie in der Tasche nach ihrem Autoschlüssel suchte, fühlte sie plötzlich einen anderen Schlüssel, der an einem Einmachgummi hing. Heinz’ Schlüssel. Sie überlegte kurz. Wenn sie nach Hause fuhr, wo würde sie dann schlafen? Im Gästezimmer, das Thomas sicher in Ordnung gebracht hatte und dessen Bett nach Katharinas Aufenthalt frisch bezogen war? Sie würde den Gedanken an Katharina dort nicht loswerden. Im großen Ehebett bei Thomas?
Nein, sie musste Schlaf finden und sich ausruhen für die Anstrengungen der nächsten Tage. Das Einfachste war, sie fuhr nach Rheinhausen.
7.
Am nächsten Morgen, nach einer erholsamen Nacht in Heinz’ Gästezimmer, checkte Barbara ihr Handy, doch Thomas hatte nicht versucht, sie anzurufen. Das löste merkwürdige Gefühle in ihr aus. Auf der Fahrt ins Präsidium versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Natürlich hatte sie Thomas gegenüber ein schlechtes Gewissen. Sie hatte ihm gesagt, sie würde nach Hause kommen und hatte ihn nicht einmal benachrichtigt, als sie es sich anders überlegt hatte. Aber irgendwie schmerzte es sie doch, dass er anscheinend nicht nach ihr gesucht hatte. Und dann gab es da doch eine Spur von Erleichterung darüber. Und plötzlich kam ihr das Lachen mit Jakubian auf dem Weg zu ihrem Wagen wieder in den Sinn. Sie waren so albern gewesen. Und es hatte so gut getan.
Im Polizeipräsidium herrschte Hochbetrieb. Barbara zog zwei Tassen Kaffee aus dem Automaten und ging zu Sven Heyer, der über seinem Schreibtisch
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