Blutleer
Opfer, das in das Schema der Überfallopfer passt. Er tötet sie – vielleicht sogar versehentlich – und kommt auf den Geschmack.«
»Der berühmte Auslöser«, murmelte Kramer.
»Genau.« Barbara sah zu Jakubian. »Wir müssen den Zeitraum zwischen dem letzten Überfall und dem ersten Mord ganz genau überprüfen.«
Jakubian nickte. »Das sollte das LKA-Team übernehmen.«
Barbara fuhr fort: »Das Beängstigende ist: Er begann zu morden und suchte sich nach diesem ersten Mord mit Oma Koslinski zunächst ein Opfer aus, das auf keinen Fall mit den Überfällen in Verbindung gebracht werden konnte. Er wollte nicht riskieren, dass doch einmal ein Datenabgleich die Polizei darauf gebracht hätte, dass ein Zusammenhang zwischen den Überfällen bestand. Die Prostituierte entsprach zwar dem Typ, war aber eine Illegale, das muss er gewusst haben, sie bedeutete keine Gefahr, weil niemand nach ihr suchte. Und er hat seine Opfer sehr sorgfältig versteckt.«
»Moment mal«, Kramer rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Langhorn, Herborn, Janicek und die Kleine, die waren nicht besonders versteckt. Sie sind alle relativ schnell gefunden worden. Und Hirschfeld, so haben wir es doch angenommen, wollte, dass sie gefunden werden.«
»Ja. Hirschfeld wollte das.« Barbara hatte Mühe, gegen das aufkommende Gemurmel anzusprechen. Sie wartete, bis es wieder ruhiger wurde. »Hirschfeld war ein Spanner. Er war dabei so etwas wie ein Profi, wir haben ja sogar ein Nachtsichtgerät bei ihm gefunden. Ich gehe inzwischen davon aus, dass der Mörder und seine Aktivitäten sein bevorzugtes Objekt wurden. Bei den ersten beiden Morden hat er es noch belassen, wie der Mörder es wollte: Er hat die Fässer wieder vor die Leiche der alten Frau gestellt und auch die Prostituierte wieder eingebuddelt, nachdem er über ihnen masturbiert hatte. Aber dann hat er begonnen, sich die Morde zu Eigen zu machen. Und hoffte, berühmt zu werden. Deshalb hat er die Leichen aus den Verstecken geholt und sie so platziert, dass sie gefunden wurden. Eine Theorie, aber ich denke, dass wir Beweise dafür finden werden.«
Sie machte eine Pause. »Der eigentliche Mörder ist ganz anders gestrickt. Er will auf keinen Fall entdeckt werden. Und seien wir ehrlich: Wenn es Hirschfeld nicht gegeben hätte, wüssten wir gar nichts von einer Serie. Der wahre Mörder will nur eines: Würgen, Morden, Blut sehen. Für ihn kann das immer so weitergehen, nichts wird ihn stoppen.«
»Aber seit Hirschfelds Verhaftung hat es keinen weiteren Mord mehr gegeben.« Patrick Linssen schien sich mit dem Gedanken, dass Hirschfeld nicht der Mörder sein könnte, nicht recht anzufreunden. »Und könnte nicht Hirschfeld die Überfälle begangen haben?«
»Nein, kann er nicht.« Jost Klasen hatte sein kleines Notizbuch in der Hand. »Frau Pross, Sie sprachen von einem Überfall im September 2002?«
Barbara nickte.
»Da war Hirschfeld in einer längeren Rehamaßnahme in Bad Driburg, die aber letztlich nichts brachte, er wurde im Dezember 2002 endgültig für berufsunfähig erklärt.« Klasen klappte das Notizbuch wieder zu.
»Es gibt noch einige lose Enden in der Geschichte«, meinte Jakubian. »Und unsere Aufgabe in den nächsten Tagen ist es, möglichst viele davon festzuzurren, damit wir die Staatsanwaltschaft davon überzeugen können, dass Hirschfeld der falsche Mann war.« Er begann, die Leute in Teams einzuteilen und ihnen ihre Aufgaben zu nennen.
»Jetzt rollen wir den Fall Fatma ein drittes Mal auf«, stöhnte Linssen. »Der Umgang mit der Familie Yildirim ist nicht gerade einfach. Sie sind viel emotionaler als die Deutschen.«
»Wenn ich daran denke, dass wir Hirschfeld einfach hätten fragen können, wenn er jetzt nicht tot wäre!« Auch Kramer wirkte nicht besonders glücklich.
»Wir können ihn gewissermaßen fragen«, meinte Barbara. »Wir haben seine Aussagen, die wir nun als Beobachtungen interpretieren müssen. Und immer wenn unsere S-Bahn-Zeugen Hirschfeld in der Bahn gesehen haben, dann ist vielleicht auch der Mörder dort gewesen.«
»Ja. Aber genau das macht mir Sorgen.« Kramer sah Barbara nachdenklich an. »Mit der S-Bahn-Aktion haben wir ihn möglicherweise aufgescheucht.«
»Nicht unbedingt. Schließlich war ja bekannt, dass Hirschfeld gefasst war. Aber er wird wieder zuschlagen, und wenn er das tut, wird sein Jagdrevier nicht mehr die S-Bahn sein, dazu ist er zu schlau und zu vorsichtig.«
»Es gibt weiß Gott genug zu tun.« Jakubian erhob
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