Blutleer
darüber wollte. »Sie wollen, dass er merkt, wie ernst es ist.«
Jakubian nickte. »Er ist leicht erregbar, das könnte uns nützen. Und Heyer – das geht nicht gegen Sie –, ich werde ihn persönlich befragen. Ich brauche keine Rücksichten in dieser Stadt zu nehmen.«
»Gut.« Sven schien erleichtert. Er schickte eine Streife los.
Barbara war neugierig, wie Dewus auf die erneuten Beschuldigungen reagieren würde. Deshalb hatte sie Jakubian gebeten, bei der Befragung dabei sein zu können. Da sowohl Sven als auch Jakubian beschäftigt waren, gesellte sie sich zu den erneuten Gesprächen mit den S-Bahn-Zeugen. Die beiden Barbaras und ihre Kollegin warteten ebenfalls, denn irgendjemand war auf die Idee gekommen, den bereits gesichteten Teil von Hirschfeld Eisenbahnfotos nochmals durchzugehen. Barbara bewunderte die Geduld der drei Frauen. Kurzerhand lud sie sie zu einer Tasse Kaffee ein, – nicht aus dem Automaten, sondern aus der Kaffeemaschine in Svens Büro. »Barbara Klenter«, stellte sich die große Rothaarige vor. »Barbara Mühlenbein«, sagte die kleine Blonde. »Barbara Pross«, erwiderte Barbara, und alle mussten erst einmal lachen.
»Ich falle da aus dem Rahmen«, meinte die Dritte, ebenfalls blonde. »Mein Name ist Erika May.« Sie nahm einen Schluck und meinte dann: »Wir sind jetzt schon so oft hier gewesen, aber das ist der erste vernünftige Kaffee, den ich hier bekomme.«
Sie saßen im Flur, tranken ihren Kaffee und redeten über Belangloses, als gerade zwei Kripo-Beamte mit Dewus hereinkamen. Sie brachten ihn in Svens Büro. »Damit das gleich klar ist: Ich warte auf meinen Anwalt«, hörten sie ihn gerade noch sagen.
»Das ist doch einer von denen«, meinte Frau Mühlenbein plötzlich. Die anderen nickten. »Der trug im Frühjahr und Herbst immer einen hellen Trench.«
»Aber oft war der nicht in der S-Bahn.« Frau Klenter nippte genüsslich an ihrem Kaffee.
»Oft genug, um uns aufzufallen.« Frau May zwinkerte verschwörerisch. »Er sieht richtig gut aus.«
»Und da sind Sie sich ganz sicher?«, fragte Barbara.
Die drei nickten. »Er war einer der Männer im Mantel, von denen wir gesprochen haben. Und ich erinnere mich auch, dass er mal mit der Kleinen, der Gehörlosen, eingestiegen ist. Wir waren ganz erstaunt, dass er sich mit ihr in Gebärdensprache unterhalten konnte.« Barbara Klenter dachte kurz nach. »Als die anderen gehörlosen Jugendlichen so nach und nach einstiegen, haben er und die Kleine so getan, als würden sie sich nicht kennen.«
»Aber er hat sie angelächelt, als sie in Essen-West ausstieg«, ergänzte Barbara Mühlenbein.
»Und bis wohin ist er gefahren?«, wollte Barbara von den dreien wissen.
»Keine Ahnung. Wir steigen ja in Essen aus, da blieb er noch sitzen.«
Barbara winkte einem Kollegen, der gerade eine weitere Befragung beendet hatte. »Bis der Kollege mit den Fotos kommt, könnten Sie bitte aufnehmen, was die drei Damen hier zu Harald Dewus erzählen können?«
Er nickte. »Dann kommen Sie mal mit, meine Damen.«
Ohne anzuklopfen betrat Barbara Svens Büro. Dort herrschte eisiges Schweigen, denn Dewus Anwalt war noch nicht eingetroffen. »Sie kannten also Rebecca Langhorn, Herr Dewus?«, fragte sie.
Jakubian schien nicht erfreut über ihre überfallartige Einmischung, ließ sie aber gewähren.
Barbara zog die Kundenliste aus dem kleinen Papierstapel, den sie Jakubian bereits hingelegt hatte. »Hier, das ist doch Ihre Firma, oder?«
Dewus schwieg, sein Gesicht zeigte jedoch Erstaunen.
»Und was ist mit der S-Bahn, Herr Dewus?«, fragte sie und setzte sich auf Jakubians Behelfsschreibtisch. »Sie brauchen gar nichts zu sagen. Wir haben Zeugen. Auch dafür, dass Sie sich mit Julia in Gebärdensprache unterhalten haben.«
Jetzt schien es Dewus zu dämmern, dass es gar nicht um den Hirschfeld-Mord ging. »Ich habe niemanden umgebracht«, sagte er leise, den Kopf gesenkt. »Und Julia schon gar nicht.«
Als er wieder hochsah, blitzte seine Aggressivität wieder auf. »Sie lebte bei mir, warum sollte ich mich mit ihr nicht unterhalten können? Sie können doch sicher auch Fremdsprachen.«
In diesem Moment kam der Anwalt herein. »Ich muss mit meinem Mandanten allein sprechen«, sagte er knapp. »Ist er festgenommen?«
Jakubian schüttelte den Kopf. »Trotzdem würde es ihm nützen, wenn er reden würde. Mag sein, dass wir ihn nicht lange festhalten können, aber es kommen immer mehr Dinge ans Licht, die durchaus einen Haftbefehl rechtfertigen
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