Blutleer
würden.«
»Wegen des Mordes an diesem Hirschfeld?«
»Nein«, sagte Jakubian ruhig. »Wegen mindestens zweier der Morde, die Hirschfeld zugeschrieben werden.«
Barbara bewunderte, wie kühl und sicher er diesen ungeheueren Bluff platzierte. Aber der Anwalt ließ sich nicht darauf ein. »Zuerst spreche ich mit Herrn Dewus allein.«
Barbara und Jakubian blieben zurück, als ein Beamter Dewus und seinen Anwalt in einen freien Raum brachte, damit sie sich besprechen konnten. »Was war das mit den Zeugen?«
»Die drei Frauen, die gerade noch mal befragt werden, haben ihn als einen der beschriebenen Männer im Mantel erkannt. Heller Trenchcoat, du weißt schon. Der Mörder auf Hirschfelds Fotos trug auch so einen.«
»Und sein Name stand auf Langhorns Kundenliste?« Jakubian wartete eine Antwort nicht ab. »Das könnte erst einmal reichen, ihn hier festzuhalten. Aber es ist sehr dünn. Ich habe kein gutes Gefühl dabei.«
Noch bevor Barbara antworten konnte, klingelte ihr Handy. Es war Özay.
Jakubian sah ihr gespannt zu, wie sie nickte und Özay kurze Fragen stellte. Er zog rasch einen kleinen Notizblock und einen Stift aus der Tasche und reichte ihn ihr. Barbara notierte etwas.
»Und?«, fragte Jakubian, als das Gespräch beendet war.
»Wir müssen sofort nach Essen, und wir müssen es während der nächsten zwei Stunden schaffen. Özay hat vielleicht eine Kollegin der Toten gefunden.«
»So schnell?«
»Ich sagte doch, er ist gut. Und er geht an Orte, die wir nicht mal kennen.«
»Dann los.«
»Und Dewus?«
Jakubian lächelte. »Ich regele das. Er muss eben warten.«
Auf der Fahrt nach Essen herrschte gespannte Stille. Beide wussten, dass sie sich mit Dewus als Verdächtigen an einen Strohhalm klammerten, und erhofften sich von dem Gespräch mit der Prostituierten den Durchbruch.
Özay erwartete sie in der Nähe des Essener Hauptbahnhofs.
»Wie hast du das wieder geschafft?«, begrüßte Barbara ihn.
»Es gibt eben Leute, die riechen Polizisten schon auf einhundert Meter und würden nie mit ihnen reden. Ich habe mich gestern Nacht am Straßenstrich durchgefragt. Reiner Zufall, dass ich auf Nadeshda traf. Sie spricht allerdings kaum Deutsch. Aber so viel habe ich erfahren: Ihre Kollegin Tatjana Zalevnikova verschwand im November 2004 spurlos. Erst glaubte sie, sie hätte es geschafft zu fliehen, doch sie hatten ein Zeichen ausgemacht, mit der diejenige, die es geschafft hat, ein Lebenszeichen geben sollte. Es ist nie eingetroffen.«
»Wo ist sie?«, fragte Jakubian.
»In der Bahnhofsgaststätte. Sie hat unglaubliche Angst vor ihrem Zuhälter. Jede Minute länger, die sie weg ist, bringt sie in Gefahr.«
Özay ging los, und Barbara und Jakubian folgten ihm.
In einer düsteren Gaststätte im Bahnhof hockte ganz in der Ecke eine junge Frau. Sie trug Özays Jacke, darunter blitzte etwas Knappes, Glitzerndes auf.
»Hallo, Nadeshda«, sagte Barbara und setzte sich zu ihr.
Jakubian nahm ebenfalls Platz. »Dobryj djen, ja Ruben Jakubian, polizejskij, ot Landeskriminalamt«, begann er.
Barbara und Özay hörten staunend zu, wie er ein halbstündiges Gespräch in fließendem Russisch führte. Nur ab und an übersetzte er für sie die wichtigsten Informationen.
»Es gab einen Freier, der regelmäßig zu Tatjana kam. Er trug häufig einen hellen Trench.«
»Frag sie, ob er sadistischen Sex wollte.«
Jakubian übersetzte, und Nadeshda nickte. Dann kam ein ganzer Schwall Russisch. Jakubian nickte.
»Ja. Er hat sie gequält und verletzt, hatte aber nie richtigen Sex mit ihr.« Er ließ Nadeshda gegenüber eine Hand schlaff herunterfallen, und sie nickte, dann redete sie wieder wie ein Wasserfall.
»Tatjana hatte Angst vor ihm«, dolmetschte Jakubian. »Sie flehte den Zuhälter an, nicht mehr mit diesem Mann gehen zu müssen, aber der sah nur das Extrageld, das es brachte. Zweimal war sie schwer verletzt. Stichwunden.«
»Schade, dass wir kein Bild von Dewus haben.«
»Sie hat sein Gesicht nie gesehen. Aber sie hat ein paar von Tatjanas Sachen aufgehoben, an denen wir vielleicht Spuren finden können. Zumindest ihre Identität könnten wir dann einwandfrei klären.« Jakubian überlegte kurz, dann zückte er sein Handy und rief im Essener Polizeipräsidium an.
Als er es ausschaltete, schüttelte er den Kopf. »Sie wollen, dass wir persönlich hinkommen. Diese verdammten Bürokraten.«
»Ich muss zurück«, sagte Nadeshda leise. »Wenn Sergej mich suchen, er schlägt mir.«
»Wir werden Sie da
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