Blutleer
wasserdichtes Alibi. Die Prostituierte, bei der sich die Zwillinge gemeinsam vergnügt hatten, war nach einem Mallorca-Urlaub wieder aufgetaucht und absolut glaubwürdig. Sven konzentrierte sich jetzt auf die Familie Yilderim und Onkel Hassan Ali, den Waffenhändler. Immerhin konnte man ihm nachweisen, dass er in der Türkei völlig legal Arctic Warfare-Gewehre verkaufte und das Gewehr, dessen weggeätzte Seriennummer man mühsam wieder sichtbar gemacht hatte, aus einer Lieferung stammte, die eindeutig nicht in Deutschland, wo diverse Polizeibehörden und auch die Bundeswehr es benutzten, verkauft worden war. Für einen Haftbefehl reichte es jedoch nicht, und Hassan Ali Yilderim konnte nicht daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen.
»Wieso runzelst du die Stirn?«, fragte Heinz, der Barbara einen Tee auf den Küchentisch stellte.
»Rebecca Langhorn. Irgendetwas passt nicht zusammen.«
»Und was?«
Barbara zog ein Blatt aus der Akte. »Das ist die Aussage einer Kollegin, die bei den weiteren Ermittlungen keine Rolle mehr spielte. Sie erwähnt in einem Nebensatz, dass Rebecca immer gegen neun zur Arbeit kam und meist noch im Büro war, wenn sie selbst schon nach Hause ging.«
Jetzt runzelte auch Heinz die Stirn. Er hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, die von Barbara mitgebrachten Akten ebenfalls intensiv zu studieren. »Du meinst, das waren nicht seine Zeiten in der S-Bahn.«
Barbara nickte.
»Aber was ist mit ihrer Dienstreise? Sie verschwand an dem Tag, an dem sie morgens um neun nach London fliegen sollte, also war sie früher unterwegs.«
Barbara schüttelte den Kopf. »Das ist nicht seine Art. Er hat seine Opfer vorher beobachtet. Er hätte sie sich nicht gegriffen, wenn er sie nicht vorher ins Auge gefasst hätte. Und er hätte es keinesfalls früh morgens getan – nicht auf der Flughafenstrecke.«
Heinz nickte. »Es ist möglich, dass er es abends getan hat. Sie hat drei Wochen draußen gelegen, und es hatte in dieser Zeit immer mal wieder Frost gegeben. Der Todeszeitpunkt konnte nicht sehr genau bestimmt werden.«
Barbara lehnte sich zurück. »Ich glaube aber, er hat sie gekannt.«
»Und sie dann gleich nach der Prostituierten ermordet, wobei du davon ausgehst, dass er sie auch gekannt hat? Hätte er damit nicht eine zu enge Verbindung geschaffen?«
Barbara schüttelte den Kopf. »Langhorn und eine illegale Prostituierte, da liegen solche Welten zwischen, niemand würde eine Verbindung sehen. Und es hat ja auch niemand eine gesehen.« Sie blickte auf den Stapel mit den Protokollen ihrer Hirschfeld-Vernehmungen. »Verdammt, wenn er noch leben würde, könnte er uns viele Fragen beantworten.«
Heinz tippte auf die Langhorn-Akte. »Die Antwort liegt vielleicht da drin, Barbara. Kramer ist ja von einer Beziehungstat ausgegangen. So gründlich wie er ist, wird er sicher Langhorns gesamtes Umfeld durchleuchtet haben.«
Barbara sah ihn an. »Du eine Hälfte und ich die andere?«, fragte sie.
Heinz nickte. Er goss sich selbst noch einen Tee ein und machte sich an die Arbeit.
Sie waren schon etwa zwei Stunden dabei, die Akten zum Fall Langhorn zu durchforsten, als Barbara plötzlich innehielt. »Das könnte es sein«, sagte sie.
»Was?« Heinz legte das Blatt, das er gerade durchlas, zur Seite.
»Eine Kundenliste von Rebecca Langhorns Werbeagentur. Ihre Kunden hat man gelb markiert. Die sind wohl nicht weiter interessant. Aber hier ist ein Name, den wir kennen.« Sie reichte Heinz die Liste und tippte auf einen Namen im oberen Drittel.
»Dewus Handel
. Dewus? Heißt so nicht …«
Barbara nickte. »Der Mann, dessen Haushälterin die Mutter von Julia Janicek war. Zum ersten Mal haben wir eine Verbindung zwischen zwei Opfern.«
»Eine vage Verbindung.« Heinz stand auf und schüttete den kalt gewordenen Teerest in die Spüle. »Das würde bedeuten, dass er ein Kind, das in seinem Haushalt lebte, ermordet hat.«
Barbara fiel das Zimmer ein, das Dewus Julia eingerichtet hatte. War er wirklich dazu fähig? Wenn Julia das erste Opfer gewesen wäre, wäre das vorstellbar – aber vier Opfer so auszusuchen, dass es keine Verbindung unter ihnen und schon gar nicht zum Mörder gibt und dann jemanden aus seinem persönlichen Umfeld? »Du hast Recht, Heinz, es spricht wenig dafür. Aber zurzeit müssen wir uns an jeden Strohhalm klammern. Ich fahre ins Präsidium und sehe mir an, was Sven so über Dewus zusammengetragen hat.«
»Und ich sehe die Akten weiter durch, wenn du einverstanden
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