Blutleer
rausholen, Nadeshda, versprochen. Es geht zurück nach Hause, schon bald«, sagte Barbara aufmunternd.
Nadeshda nickte nur müde, stand auf und gab Özay die Jacke wieder. Darunter trug sie ihre aufreizende Arbeitskleidung, einen knappen Mini mit Netzstrümpfen und ein glitzerndes, bauchfreies Top. »Keine von uns hat normale Kleider.«
Die Männer an der Theke starrten sie an, als sie die Kneipe verließ.
Barbara wühlte in ihrer Geldbörse und drückte Özay, drei Fünfzig-Euro-Scheine in die Hand. »Geh ihr nach, Özay, und fahr sie nach Hause. Und gib ihr das, falls der Zuhälter sie vermisst hat. Dann wissen wir auch gleich, wo sie lebt.«
Özay nickte und verschwand.
»Lass uns zum Präsidium fahren«, meinte Jakubian.
Barbara und Jakubian waren zum ersten Mal im Essener Polizeipräsidium, und Barbara fand, dass sich die Präsidien der Ruhrgebietsstädte sehr glichen.
Sie wurden schon erwartet. Zwei Männer begrüßten sie freundlich. Der eine kam Barbara für einen Moment bekannt vor, und als er sich vorstellte, wusste sie auch warum. »Horst Wolter, LKA. Abteilung Organisierte Kriminalität.«
Sie folgten dem Hauptkommissar der Essener Polizei, der Werner Schmidt hieß, und Wolter in ein Büro.
»Ich vermute, dass Sie sich schon gewundert haben, warum die Essener Polizei bei der Identifizierung Ihrer Leiche aus Duisburg nicht weitergekommen sind«, begann Schmidt.
»Das haben wir in der Tat.« Jakubian setzte sich widerwillig hin.
»Nun, wir sind an einem Menschenhändlerring dran«, erklärte nun Wolter. »Eine sehr diffizile Operation, die bereits mehrere Monate andauert. Wir wollen die großen Tiere, die wirklichen Schleuser, nicht nur ein paar kleine Zuhälter. Deshalb hatten die Kollegen der hiesigen Polizei die Anweisung, sich rauszuhalten.«
Barbara spürte, dass Jakubian zornig wurde. Sie war versucht, seine Hand beruhigend zu tätscheln, riss sich aber zusammen. Und das tat er offensichtlich auch, denn er sprach noch recht ruhig. »Wir suchen einen sehr gefährlichen Serienmörder.«
»Sie hatten einen Serienmörder festgesetzt, der jetzt leider tot ist. Wenn Sie ein Opfer nicht identifizieren können, haben Sie ja noch genug andere.«
»Die Lage hat sich aber geändert«, sagte Barbara leise. »Wir wissen seit kurzem, dass Hirschfeld nicht der Mörder war, sondern nur ein Spanner. Der wirkliche Mörder ist sehr gefährlich und raffiniert. Im Gegensatz zu Hirschfeld geht es ihm nicht darum, öffentlichen Wirbel zu veranstalten. Er will morden, nicht mehr und nicht weniger. Und er wird weitermorden, wenn wir ihn nicht stoppen. Die privaten Habseligkeiten des Opfers könnten wichtige Spuren enthalten, denn der Mörder war einer ihrer Stammkunden. Und die Aussage des Zuhälters könnte wichtig sein, denn im Gegensatz zu unserer Zeugin muss er ihn gesehen haben.«
»Es tut mir Leid, Frau Hielmann-Pross, aber dafür können wir eine solche Operation nicht gefährden.« Wolter lehnte sich überlegen im Stuhl zurück. »Es ist aber möglich, dass wir noch diesen Monat zuschlagen und dann können Sie den Mann gern befragen.«
»Bis dahin könnte der Mörder wieder eine Frau getötet haben. Wollen Sie das verantworten?« Jakubian wurde etwas lauter.
»Wenn Sie Menschenleben ins Feld führen, Herr Jakubian, dann darf ich Ihnen sagen, dass an dieser Operation auch einige Menschenleben hängen. Und ich untersage Ihnen offiziell, irgendetwas in dieser Richtung zu unternehmen. Wie sind Sie überhaupt zu Ihrer Zeugin gekommen?«
»Ich habe so meine Quellen«, sagte Jakubian. »Wir bekommen also keine Hilfe von der Essener Polizei?«
»Nein«, sagte Schmidt knapp.
»Dann verschwenden wir hier nicht länger unsere Zeit.« Jakubian stand auf. »Komm, Barbara, wir gehen.«
Barbara hatte sich gewundert, dass Jakubian nicht mehr gekämpft hatte, aber im Auto wurde sie eines Besseren belehrt. Er zückte sofort sein Handy und beorderte die LKA-Beamten, die in der Soko arbeiteten, nach Essen.
»Ruben, das ist Wahnsinn. Du hast hier doch gar keine Befugnisse, schon gar nicht, wenn es dir offiziell untersagt wurde.«
Er sah sie nur kurz an. »Wolter hat mir gar nichts zu sagen, das kann höchstens sein Vorgesetzter meinem Vorgesetzten übermitteln. Die von der OK können mich mal mit ihrer jahrelangen Operation – als ob sie den Menschenschiebern ernsthaft schaden könnten! Wenn der Mörder wieder zuschlägt, heißt es, wir hätten nicht alles getan. Wir brauchen unsere Ergebnisse jetzt. Ruf bitte
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