Blutleer
an die Wand.
»Wie eng waren Sie beide befreundet?«
»Seit unserer Studienzeit. Mein Mann und Rebecca studierten Marketing, ich Sport und Sprachen. Wir waren mal so etwas wie beste Freundinnen, aber später ist das etwas abgekühlt. Unsere Lebenswege drifteten auseinander. Ich habe zwei Kinder und habe zunächst gar keinen Beruf ausgeübt. Wahrscheinlich habe ich sie genervt mit dem Müttergerede über Windeln und Zähne und Biokost.« Jenna Gerling lächelte. »Rebecca kannte nur ihren Job. Es war riskant, sich so früh selbstständig zu machen, und sie hat wirklich hart dafür gearbeitet, dass es funktioniert. Stefan – das ist mein Mann – und sie, das waren die Motoren dieser Agentur. Ohne sie lief nichts.«
»Und jetzt?«, fragte Kramer.
»Ich bin ganz froh, wenn ich mal hier arbeiten kann, dann sehe ich meinen Mann wenigstens ab und zu.« Das klang resigniert.
Das Telefon klingelte. »Gerling, Langhorn und Weitersdorf, Sie sprechen mit Jenna Gerling.« Danach ging das Gespräch auf Englisch weiter. Jenna drückte ein paar Tasten und stellte den Anrufer durch. »Mr. Myata.« Sie legte den Hörer wieder auf.
Barbara beschloss, zur Sache zu kommen. »Frau Gerling, auch wenn davon noch nichts an die Öffentlichkeit gelangt ist, wir glauben nicht, dass Hirschfeld der Serienmörder war.«
Jenna Gerling sah sie verwundert an. »Es stand doch in allen Zeitungen, dass er die Morde gestanden hat.«
»Ihnen das genau zu erklären, würde jetzt zu weit führen. Und wir müssen Sie auch bitten, diese Information für sich zu behalten.« Barbara machte eine kurze Pause und beobachtete Jenna Gerlings Gesichts dabei. »Wir sind den Fall noch einmal durchgegangen und zu dem Schluss gekommen, dass Rebecca eine der wenigen unter den Opfern war, die ihren Mörder gekannt haben könnte. Sie waren ihre Freundin, und die Düsseldorfer Polizei hat Sie damals nicht befragt.«
»Doch das hat sie«, unterbrach Jenna Gerling. »Als sie bei uns zu Hause waren, haben sie auch mit mir geredet. Aber das waren nicht Sie, Herr Kramer.«
»Nun«, fuhr Barbara fort, »ich nehme aber an, dass niemand Sie nach einem Mann gefragt hat, den Rebecca kurz vor ihren Tod kennen gelernt hat.«
»Doch. Sie fragten immerzu danach. Die glaubten ja damals schon, dass sie ihren Mörder gekannt hat.«
Barbara war enttäuscht: eine Zeugin, die in den Protokollen praktisch nicht auftauchte, die aber nichts Neues wusste.
Kramer zog das Phantombild hervor. »Kennen Sie diesen Mann, Frau Gerling?«
Jenna Gerling sah das Bild lange an und schüttelte den Kopf. Sie wollte es Kramer zurückgeben, doch dann betrachtete sie es erneut. »Das könnte …« Sie schüttelte wieder den Kopf. »Nein, ich muss mich irren.«
»Kennen Sie den Mann?«, fragte Barbara aufgeregter als sie es wollte.
»Nicht mit Namen. Ich bin auch nicht ganz sicher.«
»Das ist kein besonders gutes Phantombild, der Zeuge, nach dessen Aussagen es entstand, hat den Mann lange nicht gesehen«, sagte Kramer.
»Das habe ich auch nicht. Und ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen.« Jenna Gerling starrte auf das Bild. »Wie gesagt, ich bin mir nicht ganz sicher. Das war … es muss nach der Geburt meiner zweiten Tochter gewesen sein. Da waren Rebecca und ich mal aus. Ein ziemlich schlimmer Abend. Ich wollte endlich mal wieder etwas anderes sehen als Windeln und Babyflaschen, und wir gingen in eine Kneipe, einen Laden irgendwo in Flingern. Da sprach dieser Mann uns an.«
»Wie lange ist das genau her?«
»Elisa ist jetzt vier. Und sie war damals vielleicht drei Monate alt. Also etwa Oktober oder November 2001.«
Barbara war enttäuscht. Das war lange, bevor er angefangen hatte zu morden. Aber es lag in der Zeit der Überfälle. Barbara betrachtete Jenna Gerling. Sie war zierlich, hatte lange, honigblonde Haare. Genau sein Typ.
»Erzählen Sie weiter«, forderte Kramer Jenna auf.
»Also, um zu verstehen, was da passierte, muss ich erzählen, dass meine Freundschaft mit Rebecca zu dieser Zeit schon nicht mehr besonders eng war. Irgendwie hatten wir die Hoffnung in den Abend gesetzt, wieder dort anknüpfen zu können, wo wir früher gestanden hatten. Es sollte ein Abend werden, der uns Spaß machte, wir wollten reden und vielleicht später noch ins ZaKK, da gab es eine Disco. Aber es war furchtbar. Wir hatten uns definitiv nicht mehr viel zu sagen. Ich konnte nur über Kinder, Stefan und das Haus sprechen und sie nur über ihre Arbeit. Und dann kam dieser Typ an unseren Tisch. Er
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