Blutleer
spendierte uns einen Drink, den ich nicht trinken konnte, weil ich ja stillte. Früher hätten wir ihn abblitzen lassen, aber wir beide waren so sehr darauf versessen, doch noch unseren Spaß zu kriegen, dass wir dankbar waren für alles, was den Abend noch retten konnte.«
»Hat er Rebecca angemacht?«, fragte Kramer.
Jenna lächelte. »Nein, er interessierte sich wohl eher für mich.« Sie stockte. »Aber eigentlich hat er keine von uns wirklich angemacht. Er war sehr charmant und witzig. Erzählte, er sei Immobilienmakler. Etwas angeberisch wirkte er schon, aber ich dachte, typisch Mann.«
Kramer zog eine Augenbraue hoch, und Jenna lachte. »Wie sagt man? Anwesende ausgenommen?«
Jetzt musste auch Kramer grinsen.
»Rebecca drängte dann darauf, zum ZaKK zu fahren«, fuhr Jenna fort, »und er war ganz begeistert, aber ich fühlte mich plötzlich sehr müde und beschloss, nicht mitzugehen. Ich fuhr nach Hause.«
»Und Rebecca?« In Barbaras Kopf setzten sich ein paar Bilder zusammen. Bisher hatte sie sich den Mörder stets als ein fast gesichtsloses Phantom vorgestellt, das aus dem Dunkel zuschlug. Ein gut aussehender, charmanter Mann, mit dem eine Frau auch freiwillig mitgegangen wäre, war ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
»Nun, sie ist wohl mit ihm tanzen gegangen, aber so genau weiß ich das nicht, denn wir haben nicht mehr über den Abend gesprochen.« Sie dachte einen Moment nach. »Allerdings glaube ich, dass sie ihn noch öfter getroffen hat. Einige Zeit später erzählte Stefan, dass Rebecca wohl einen Freund hätte, den aber niemand zu Gesicht bekäme.«
»Und hat ihn jemals jemand zu Gesicht bekommen?« Barbara tippte auf das Phantombild. »Jemand, dem wir das Bild zeigen könnten?«
Jenna Gerling zuckte mit den Achseln. »Ich denke nicht. Das kann nicht länger als ein Jahr gegangen sein. Ich erinnere mich, dass Stefan mir erzählte, dass Rebecca irgendwie depressiv sei und nicht sehr gut arbeite. Aber das ging vorbei.«
»Können Sie das auch zeitlich eingrenzen?«
»Nein. Aber mein Mann könnte es wissen, wenn er sich noch an die Aufträge erinnert.«
»Was meinen Sie, Frau Gerling«, Barbara nahm das Phantombild an sich, »könnten Sie das Bild korrigieren?«
Sie zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Aber ich kann es versuchen.«
»Können wir das im Düsseldorfer Präsidium machen lassen?«, fragte Barbara Kramer.
Der nickte. »Sicher. Wir sollten hier trotzdem noch mal alle nach dem geheimnisvollen Mann befragen. Vielleicht hat ihn doch jemand gesehen.«
Aber Jenna Gerling sollte Recht behalten. Niemand hatte den Mann je gesehen, die meisten ahnten nicht einmal, dass Rebecca Langhorn überhaupt eine Beziehung gehabt hatte. Nur ihr engster Freund Stefan Gerling hatte es überhaupt bemerkt. Er wusste auch, wann es vorbei war, nämlich später, als seine Frau sich erinnert hatte. »Herbst 2003. Da hätten wir durch Rebeccas Tief beinah einen wichtigen Kunden verloren.«
Barbara und Kramer sahen sich viel sagend an. Im Oktober 2003 war Nicole Giesen ermordet worden.
»Hat sie denn jemals über den Mann gesprochen?«, fragte Barbara. »Ich meine, wenn sie so einen schlimmen Fehler gemacht hat, dann musste die Begründung, warum es ihr so schlecht ging, schon plausibel sein, oder?«
Gerling nickte. »Ich habe das Jenna nie erzählt. Die beiden waren mal gute Freundinnen, und es hätte Jenna weh getan, dass sie sich mir und nicht ihr anvertraute.« Er senkte die Stimme, als wolle er sogar jetzt noch verhindern, dass seine Frau etwas erfuhr. »Rebecca erzählte nicht viel. Nur dass der Mann verheiratet sei, ihr das aber verschwiegen habe. Er hat mich total verarscht, genauso hat sie es gesagt. Und ich konnte sehen, dass er ihr sehr weh getan hatte.«
Kramer war schweigsam auf dem Weg nach Duisburg.
Barbara spürte deutlich, dass in ihm etwas brodelte. »Was ist los, Kramer?«, fragte sie.
»Ich ärgere mich darüber, dass ich das damals nicht herausbekommen habe. Immerhin haben wir eine Beziehungstat vermutet. Und dann stießen wir überall nur auf Rebecca, den Workaholic.«
Barbara seufzte. »Das Ganze lag lange zurück. Gerling hatte das abgehakt, und es scheint nach der Trennung ja auch keine Dramen gegeben zu haben. Bei so viel Gewalt vermutet man doch eher eine frische Beziehung.«
Er runzelte die Stirn. »Eigentlich war es riskant für ihn, eine Frau zu ermorden, mit der er mal zusammen war.«
»Nicht wirklich.« Barbara dachte nach. »Vermutlich hat er ihr vorgemacht, er
Weitere Kostenlose Bücher