Blutlied -1-
Gestank der Themse. Newgate und Bedlam, Kriminalität und Wahnsinn. Die sogenannten Krähennester im Osten mit ihrem lebenden Abschaum, die Hurerei vor der eigene Haustür, die Wunden und Blessuren, die Straßenräuber ehrbaren Bürgern schlugen.
Und gleichermaßen liebte er die Stadt. Er liebte es, wenn der Nebel sich davon machte wie ein Tier, das sich zur Ruhe begibt und Betriebsamkeit die Neuerung der Welt ankündigte, denn diese Stadt war der Kosmos der ewig menschlichen Evolution. Nur diese Stadt war fähig, der Gesellschaft Neuheiten zu geben, die das Leben der Zukunft verändern würden.
Er hatte die Jahrhunderte überlebt und seine Existenz kultiviert. In welcher Epoche er auch auftauchte, immer tat er es im Gewand eines Unternehmers, der mit seinen Firmen viel Geld verdiente. Zwar bedeutete Regus Geld nichts, aber es war ein Elixier, mit dem er sich der Menschen bemächtigen konnte, außerdem hasste er Langeweile. Und Geld bedeutete Macht!
Nur sehr wenige Eingeweihte wussten, dass ein Großteil des britischen Unternehmertums von Vampiren infiltriert war. Inzwischen zogen sie ihre Kreise auch bis nach Frankreich und Deutschland.
Es gab nur noch wenige von ihnen, die sich bei Tageslicht verstecken mussten. Einige der sogenannten alten Schule, Vampire aus dem Osten, die noch nicht mutiert waren. Für alle anderen war tödliches Sonnenlicht ein Mythos, genauso wie die Angst vor Knoblauch oder Gotteskreuzen. Das alles war Unsinn! London hatte mehr als vierhundert Kirchen. Eine Existenz hier wäre unmöglich gewesen, wenn dies so wäre, Kreuze und biblische Artefakte, wohin man blickte – eigentlich eine Frage der Logik, nicht wahr?
Regus blinzelte und nahm die Sonnenbrille ab, hinter der es seine roten Augen verbarg. Eine Droschke hielt an, der Kutscher sprang vom Bock und verscheuchte einen Straßenkehrer, der mit einer grossen Schaufel Pferdekot einsammelte, vermutlich, um damit zu heizen.
Der Verschlag wurde aufgerissen und eine bildschöne Frau stieg aus, gefolgt von einem schlanken, elegant gekleideten Mann, der ebenso wie Regus eine Sonnenbrille trug.
Und es werden sein derer Zwei, die dem Dunkel entgegentreten. Ihre Schwingen werden überdecken das Böse. Ihre Liebe wird zerreißen den Hass! Sie werden vernichten die Sphäre des Blutes und gewinnen des Menschen Seele!
Regus
»Er ist hier. Er ist Mitglied des Packmen-Club «, sagte Frederic kühl.
Caroline, die ein elegant geschnittenes Kleid trug, eine Spezialkonstruktion, die sie mit einem Zug am Klettverband lösen konnte und unter dem eine behagliche und bei schnellen Bewegungen nicht hemmende Lederkluft zum Vorschein kam, streckte sich wie nach einem langen Schlaf. Das wirkte wenig damenhaft, was sie nicht störte. Über diese Dinge war sie hinweg. Es war nicht wichtig, anderen zu gefallen. Sie hatte eine Mission und nur das galt.
Frederics hauchweicher Cut verbarg einen tadellosen Anzug, ganz in Grau mit hellen Streifen. In seinem Spazierstock verbarg sich ein Bajonett. Die dunkle Brille musste er tragen, da seine roten Augen sonst zu auffällig gewesen waren. Die langen schwarzen Haare wallten über die Schultern, er trug keine Kopfbedeckung und keinen Bart. Sein schmales Gesicht, Caroline hatte es mit einem Puder behandelt, damit es nicht allzu weiß leuchtete, war das eines schönen willenstarken Mannes.
»Und es werden sein derer zwei ...«, murmelte Caroline. Frederic betrachtete sie von der Seite und schauderte. Sie wirkte wie ein Raubtier, darauf erpicht, ihr Opfer zu schlagen. Gleichzeitig machte dies sie anziehend und betörte ihn maßlos. Sie war ein junges wildes Weib, kompromisslos in ihrer Ausstrahlung, anschmiegsam und liebevoll, wenn es darauf ankam.
Jeder, der dieses Paar sah, verharrte einen Augenblick. Ihre Ausstrahlung war unverkennbar. Sie waren von einer Aura der Leidenschaft und Verlässlichkeit umgeben, die fast greifbar war. Zwei attraktive, gut gewachsene Menschen, die zueinander passten wie Ying und Yang.
Niemand hätte vermutet, dass es sich bei Caroline und Frederic Densmore um Vampirjäger handelte und dass einer der beiden sogar ein Vampir war – dies hätte sich der Phantasie eines jeden Menschen entzogen.
»Er hat uns gesehen«, sagte Caroline. »Ich spüre es ... alles in mir kribbelt!«
»Alles?«, grinste Frederic und blinzelte, was Caroline wegen der Sonnenbrille nicht sah.
Sie stupste ihn zärtlich.
Frederic gab dem Kutscher ein Zeichen und die Droschke rollte
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