Blutlinie der Götter: Die Berrá Chroniken Band 1 (German Edition)
Malek wollte wissen wie das Leben in der
Barinsteppe
sei und ob dort alle jungen Männer so wie Alkeer aussahen. Mit Freude über Maleks Anteilnahme und gleichzeitig schmerzender Erinnerung begann Alkeer zu erzählen.
„Sobald man als Junge in das Alter kommt, in dem man kräftig genug ist, um bei der Feldarbeit zu helfen, werden einem Zöpfe gebunden und man bekommt mit jedem Lebensjahr eine Holzperle mehr in das Haar geflochten. Dies ist allerdings eine alte Tradition, die nicht mehr von allen vollzogen wird.“
Spielerisch ließ Alkeer eine der Perlen zwischen seinen Fingern wandern.
„Meine Familie ist jedoch sehr traditionsbewusst.“
Beide lachten und aßen ein Stück von ihrem Dörrfleisch. Alkeer empfand es als besondere Ehre, dass ein Gér sich zu ihm setzte, um mit ihm zu essen. Ein anderer Bootsjunge hatte ihm erzählt, dass dies eine Geste der Verbrüderung darstellte. Die einzelnen Krieger hielten sich auf den Schiffen nur innerhalb ihrer eigenen Gruppe auf. Falls jedoch ein Höhergestellter einen Untergebenen einer anderen Gruppe oder eines niederen Ranges bat mit ihm zu speisen oder eine Unterhaltung zu führen, wurde dies als Zeichen des Respekts und der Verbindung der Gruppen angesehen. Alkeer stand somit unter dem Schutz von Gér Malek und dessen Kampftruppe.
„Ich habe in den südlichen Gefilden
Obarus
noch nie jemanden mit roten Haaren gesehen. Ich dachte immer solche Menschen würden aus dem Norden kommen. Und selbst dort wären sie nur noch rar gesät.“
Alkeer ließ eine einzelne Strähne vor seinem Gesicht baumeln und beobachtete wie sich die Sonnenstrahlen an dem rotblonden Geflecht brachen.
„Tja, was soll ich sagen? Ich bin anscheinend mit dem Segen der Nordmänner beschenkt.“
Aufmunternd klopfte Malek ihm auf die Schulter.
„Die Nordmänner sind ein tapferes Volk. Leider leben sie sehr zurückgezogen. Dabei könnten wir ihren Beistand in diesen Tagen wirklich gut gebrauchen.“ Malek grinste. „Also halte deine roten Haare in Ehren. Oder wäre dir eine Glatze so wie ich sie habe lieber?“ Wieder lachten beide und stießen zum Abschluss ihres bescheidenen Mahls noch einmal die Becher zusammen. „Du hast doch gesagt deine Eltern wären Bauern. So sehen mir deine Sachen aber nicht gerade aus.“
Alkeer blickte an sich herab.
„Diese Kleidung war ein Geschenk von einem Beamten aus
Inaros
. Er sagte mir, dass sein Sohn einst diese Sachen getragen habe, allerdings vor einigen Zyklen verstorben sei. Da meine Familie ein eigenes Gehöft besitzt, müssen wir nicht die Kleidung der Arbeiter tragen. Wir säen und ernten selber. Für so was trägt man dann eher zweckmäßige Kleidung als prunkvolle Gewänder.“
Die Tatsache, dass er die Kleidung eines Verstorbenen trug, störte Alkeer nicht. Die weiche dunkelblaue Hose und das purpurne Hemd waren nicht nur sehr bequem, sie gaben ihm ein Gefühl von Reife. Als junger Bursche hätte man solch eine Kleidung in seiner Heimat nur zu Festtagen angezogen. Allerdings zwang ihn die stürmische See, sich seinen Umhang eng um den Körper zu schlingen. Zwar brachen die Wolken immer wieder auseinander und gaben den Blick auf den herrlichen blauen Himmel frei, jedoch ging die Sonne genauso schnell wie sie kam und überließ dem kalten Regen die Herrschaft über das Meer. Dass Alkeer einmal mit einem Gér Gespräche über seine Familie führen würde, die nicht damit endeten, dass man ihn für die Taten seines Großvaters verachtete, hätte er nicht gedacht. Überhaupt hatte Gér Malek ein sehr enges Verhältnis zu seinen Soldaten. Sah man sie zusammen, hätte niemand der nicht die Rangzeichen auf seiner Rüstung sah gedacht, dass er über den einfachen Soldaten stand. Hó Dukarus war nicht gerade begeistert von der Art und Weise wie der Gruppenführer mit seinen Untergebenen verkehrte. Dukarus war nicht nur der Kapitän der
Klippenbrecher
, er war gleichzeitig auch der Kommandant, unter dem Gér Malek Dienst tat. Er war der Meinung, dass es eine natürliche Rangordnung innerhalb einer Armee gab, die von jedem eingehalten werden sollte. Ein Befehlshaber, der ein zu enges Verhältnis zu seinen Soldaten unterhielt, würde früher oder später in die Situation kommen in der er aus Sorge um seine Kameraden seine Pflicht gegenüber dem König vernachlässigen könnte. Dementsprechend ungehalten sah Hó Dukarus wie Gér Malek und Alkeer sich freundschaftlich unterhielten. Eine Unterhaltung dieser Art war schon zwischen einem Gér und einem Soldaten
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