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Blutlinie

Blutlinie

Titel: Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Jones
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Schlachtbank geführt werden, schlechte Noten in Mathematik, die mein Vater nicht schlimm fand. Er war immer der Ansicht, dass jemand, der in Sprachen und Literatur gut war, Mathe nie kapieren würde. Und darüber hatten wir immer herzhaft gelacht. Wie ich mir das Bein gebrochen hatte, weil ich auf einen Kirschbaum geklettert war. Mein erstes Verliebtsein…Es waren meine Erinnerungen und doch kam es mir vor, als wären sie nicht echt.
    Ich rappelte mich hoch. Andere Momente schossen mir durch den Kopf, Augenblicke, die ich weit hinten in meinem Kopf versteckt hatte.
    Wir sind niemals in den Urlaub gefahren. Immer, wenn wir was unternahmen, ob Kino oder zusammen essen gehen, waren meine Eltern in höchstem Maße nervös. Manchmal kam es mir vor, als würde ich beobachtet werden, aber es war nicht so oft, also machte ich mir keine Gedanken darüber. Als ich 18 war und dieses schreckliche Erlebnis stattfand, zogen wir sofort von hier fort. Vor zwei Jahren gingen Mom und Dad dann an die Küste, wollten nicht, dass ich ihnen folgte. Auf einmal ergab alles einen Sinn. Ich wurde abgeschirmt, heimlich beschützt – doch warum?
    Und wieder war ich so schlau wie vorher. Sie hatten mich belogen, die ganzen vielen Jahre. Sicherlich hatten sie ihre Gründe, doch das juckte mich augenblicklich gar nicht. In mir wallte Zorn auf, der sich mit der Fassungslosigkeit abwechselte, dass ich adoptiert worden war und jeder es wusste, nur ich nicht. Ich konnte die beiden nicht anrufen, noch nicht. Ich sah sie kurzzeitig als Fremde, die ein Baby in den Armen hielten, auf das kleine pausbäckige Gesicht herablächelten, doch es gehörte nicht ihnen.
    Hinzu kam noch, dass meine leiblichen Eltern umgebracht worden waren.
    Gewaltverbrechen…das konnte es nur bedeuten…
    Unruhig tigerte ich im Zimmer auf und ab, rieb mir die Schläfen, um mehr Durchblick zu bekommen, Puzzleteile zusammenzusetzen, Herr der Lage zu werden. Doch je mehr ich fieberhaft nachdachte, desto weniger verstand ich. Mein Verstand war wie leergefegt, ein Notfallmechanismus hatte sich eingeschaltet, der mich taub werden ließ. Ich hatte keine Kraft mehr, um nachzudenken, mein Kopf war ein luftleerer Raum. Ich rannte fast schon zum Bett, schwang mich auf den bunten Quilt, der darauf lag, rollte meinen Körper zusammen und weinte leise vor mich hin.
    Es dunkelte bereits draußen, als es kaum hörbar an der Tür klopfte. Ich hatte mich in einen Halbschlaf geschluchzt, immer wieder versucht, die Augen offen zu halten, um mich dem Schmerz zu stellen, der in mich eingedrungen war.
    Ich wollte niemanden sehen und auch mit niemandem reden.
    „Virginia?“
    Brandons verhaltene Stimme.
    „Ich stelle dir das Tablett vor die Tür“, rief er dann.
    „Komm herein“, sagte ich schnell, wischte mir die Wangen ab und setzte mich im Bett auf.
    Es war stockdunkel im Zimmer. Er trat ein, ein Lichtschein fiel durch die geöffnete Tür, dann schaltete er auf der Kommode zwei Lampen an, die aussahen wie von Tiffanys. Blood sprang zu mir schwanzwedelnd ins Bett. Ich streckte die Arme aus und kraulte ihn hinter den Ohren. Zum Dank leckte er schnell über meinen Arm, dann warf er sich auf die Decke neben mich. Über meine Züge glitt ein Lächeln.
    Brandon stellte das Tablett auf den Schreibtisch, dann drehte er sich zu mir um. Er hatte sich umgezogen, trug eine hellblaue Jeans, ein weißes T-Shirt, das mich seine Muskeln nicht mehr nur erahnen, sondern sehen ließ, dazu Turnschuhe. Er konnte anziehen, was er wollte. Er würde einfach immer gut aussehen, selbst mit einem braunen Kartoffelsack über den Schultern. Seine lockigen Haare fielen ihm in die Stirn, und er machte wieder diese leichte Kopfbewegung, um sie zur Ordnung zu rufen.
    „Darf ich?“, fragte er.
    Als ich nickte, setzte er sich auf den Rand des Bettes. Er lächelte, doch ich sah die Anspannung in seinen Augen.
    „Wie geht es dir?“
    Wie sollte es mir gehen? Ich wusste selbst nicht, ob ganz gut, den Umständen entsprechend, total mies…also war ich ehrlich.
    „Ich weiß es nicht“, sagte ich.
    „In solchen Dingen bin ich nicht so gut. Ich kann nicht ausdrücken, was ich dir eigentlich sagen möchte. Es tut mir alles sehr leid, das sollst du wissen. Einfach alles.“
    Ich ahnte, was er meinte. Nicht nur, dass er mich im Unklaren lassen musste, auch der Überfall im Motel, die heimlichen Beobachtungen, die nicht zu seinen Befehlen gehört hatten.
    „Danke“, sagte ich leise.
    „Möchtest du vielleicht etwas essen?“
    Er

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