Blutlinie
Augenbraue nach oben.
Etwas nagte an mir, dass ich unbedingt wissen wollte.
„Warum hast du dich mir im Tanztempel gezeigt?“
„Das sagte ich doch schon. Du solltest mich gar nicht sehen, das war Zufall.“
Seine Ausflüchte entlockten mir ein Feixen.
„Du hast mich die ganze Zeit beim Tanzen angestarrt.“
Brandon setzte sich ruckartig auf.
„Kannst du es nicht einmal auf sich beruhen lassen? Musst du immer alles haarklein auseinanderpflücken?“, knurrte er.
Ich verstand gar nichts mehr. Wo war denn das Problem? Er hatte weit mehr Stimmungsschwankungen als eine Frau in den Wechseljahren.
Wie ein Panther bewegte er sich zu mir über das Bett. Geschmeidig ließ er seine Arme immer näher rutschen, zog seine Hüfte nach und kam mir so nahe, dass ich wie das Kaninchen vor der Schlange saß. Hinter mir fühlte ich das Kopfteil des Bettes, während ich versuchte, noch weiter zu rutschen. Da ich aber nicht durch Wände gleiten konnte, war an der Stelle Schluss.
Brandons Gesicht kam meinem gefährlich nahe. Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen.
Was hatte er vor? Würde er mich küssen? Mein Herz fing an zu rasen.
„Ich fand es so sexy, wie du getanzt hast. Endlich hast du mal gezeigt, dass du nicht so eine graue Büchermaus bist. So bieder und langweilig, wie du sonst immer tust. Lass ruhig mal die Sau raus, ist wirklich nichts Schlimmes dabei“, raunte er mir zu.
Der erste Teil seiner Aussage hatte das Kribbeln in meinen Körper zurückgeholt, das sich angenehm unterhalb meines Bauches eingenistet hatte. Als dann aber der zweite Teil folgte, legte sich eine unbändige Wut wie ein Panzer über meine Haut. Ich sprang wie von der Tarantel gestochen auf, atmete tief durch und durchbohrte ihn mit so giftigen Blicken, dass ich hoffte, sie mögen wirken.
„Was denkst du eigentlich wer du bist? Es muss dir völlig egal sein, wie ich lebe, denn das ist mein Leben. Und das geht dich einen Scheißdreck an!“
Ich hatte nicht geschrien, nur laut und drohend gesprochen. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Wie konnte er mich in einem Atemzug heiß machen und so verletzen?
Brandon verdrehte die Augen und stand auf.
„So habe ich das doch gar nicht gemeint“, wehrte er ab und klatschte in die Hände.
„Du bist so mies“, sagte ich bitter.
Reagierte ich vielleicht doch über? Ein entschiedenes Nein! Er mochte es, mich aus der Fassung zu bringen, so viel hatte ich schon mitbekommen.
„Virginia, es tut mir wirklich leid. Das sollte nicht so klingen. Es wurde einfach Zeit, dass du mal richtig lebst. “
„Das wird bald zur Gewohnheit, dass du dich bei mir entschuldigst“, zeterte ich, dann ging ich zur Tür und öffnete sie. „Eines kann ich dir sagen: Wenn ich die Auserwählte bin, trete ich dir kräftig in den Arsch.“
Ich sah ihn nochmals herablassend an, dann schlug ich die Tür mit einem lauten Knall zu.
Aufgewühlt saß ich im Speisezimmer. Geradwegs war ich die zwei Stockwerke hinuntergefahren und hatte mir alles Mögliche auf den Teller gewuchtet. Gebratene Eier, Schinken, Brot und Käse. Eine Schüssel Nudeln und Tomatensoße stand dampfend vor mir.
Dieser Idiot hatte doch tatsächlich gegrinst, bevor ich die Tür zugeschlagen hatte. Ich konnte es nicht fassen.
Um mich herum saßen die Vampire, glotzten mich an und tuschelten. Am liebsten hätte ich ihnen die Zunge herausgestreckt, erinnerte mich aber vage an mein Alter.
‚Es wurde Zeit, dass du mal richtig lebst…’
Ich brauchte niemanden, der mir sagte, dass ich mich immer mehr zurückgezogen hatte. Na und? Ich hatte schließlich meine Gründe, verflucht! In mir flackerte das Bild auf, wie ich von der Brücke fiel und beinahe ertrunken wäre. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich rieb meine Schläfen, damit die Szene sich wieder in Rauch auflöste.
Vielleicht hatte er es gar nicht so gemeint und er wollte mich nur aufrütteln. Aber das konnte man auch anders verpacken.
Ich stopfte alles in mich hinein, nahm noch zwei Äpfel und eine Banane vom Buffet und wollte mich in mein Zimmer begeben. Auf dem Flur kam mir Rafael entgegen.
„Ist alles soweit in Ordnung bei dir?“, fragte er freundlich.
Ich nickte.
„Langsam finde ich mich damit ab“, sagte ich gleichmütig, obwohl alles in mir schrie.
„Morgen wird sich Maggie bei dir vorstellen. Sie wird dich in die Geschichte des Ordens einführen. Erwarte sie nach dem Frühstück.“
Das war mir in diesem Augenblick so was von egal. Ich wollte nur noch ins Bett.
„Okay.
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