Blutlinie
und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich war eine Katze, aber nicht irgendeine. Ich war eine Wildkatze, verrucht und unanständig – jedenfalls nach dem Aussehen zu urteilen. Das Kleid gab mehr von meinem Körper preis als es verhüllte und ich fühlte mich nackt an den Beinen, obwohl ich schwarze Strumpfhosen trug. Die Stiefel mussten geschnürt werden und gingen mir bis unter die Knie. Maggie hatte mit dem Make up nicht gegeizt, obwohl man unter der Maske nicht viel davon sah. Aber durch den Kholstift kamen meine grünen Augen viel mehr zur Geltung. Erst hatte ich gedacht, dass der Haarreifen nicht halten könnte, doch ich hatte mich getäuscht. Er passte wie angegossen und ließ meine Ohren bei jeder Bewegung ein wenig wippen. Meine Haare fielen in lockigen Wellen über die Schultern. Lange Handschuhe zierten meine Hände und Arme bis zum Ellenbogen, und ich fand, dass ich noch niemals so reizvoll ausgesehen hatte. Ich gefiel mir, auch wenn es mich große Überwindung kosten würde, überhaupt aus dem Zimmer zu gehen.
„Und? Was sagst du?“
Maggie sah mich erwartungsvoll an.
„Es ist der Wahnsinn! Positiv gemeint“, sagte ich aufrichtig.
Sie umarmte mich fest, dann ging sie einen Schritt rückwärts.
„Du wirst alle verrückt machen.“
„Dann dürftest du aber dort nicht erscheinen“, lachte ich.
„Unsinn“, wehrte sie ab.
„Ähh, ist es nicht der Sinn an Halloween möglichst schaurig und Furcht erregend auszusehen, und nicht wie eine rollige Mieze auszusehen?“
„Virginia“, lachte Maggie kehlig auf, „du wirst sehen, dass alle Frauen rollig aussehen. Und nun entschuldige mich, ich muss mich nun noch um mich kümmern. Ich hole dich gleich ab.“
„Das wird sicher auch eine Stunde dauern, oder?“
„Ich beeile mich“, versprach sie, kramte ihr Zeug zusammen und stöckelte hinaus.
Nun hatte ich wieder Zeit, unheimlich viel Zeit, um in meine berühmten Grübeleien zu verfallen. Selbst die Tablette, die mir Maggie verabreicht hatte, machte mich nicht ruhiger. Im Gegenteil, mir war, als wenn sich meine Stimmung von Minute zu Minute anhob.
Ich schnappte mir wieder das Buch, setzte mich vorsichtig auf den Sessel, tat meinen schnuckeligen Schwanz beiseite, damit ich ihn nicht zerdrückte und suchte bewusst nach einem Thema, was mich kirre machte. Und dabei ging es natürlich um mich und meine Verwandlung. Ich begriff nicht, wie ich mich ohne Biss überhaupt verwandeln sollte. Schließlich sollte ich eine Halbvampirin sein. Aber vielleicht lag darin der Punkt: Jeder, der gebissen wurde, mutierte zu einem Vampir; und ich sollte eine Halbvampirin werden, in mir sollte die doppelte Stärke gefächert sein. Hatte ich besonderes Blut, dass sich um Punkt Null Uhr an meinem 20. Geburtstag blubbernd verformte, sodass meine vampirischen Gene zum Zuge kamen? Anders konnte ich mir den Vorgang einfach nicht vorstellen. Ich blätterte die Seiten um, begegnete Bildern, Artikel über Revolutionen, Kriegen und plötzlich hielt ich inne. Ich erkannte Darius auf einer Zeichnung. Gerade als ich zu lesen beginnen wollte, klopfte es kurz. Ohne abzuwarten, wurde die Tür aufgestoßen und ich hielt den Atem an.
Vor mir stand die heißeste Hexe, die ich je gesehen hatte. Maggies leuchtend rotes Kleid konkurrierte mit ihrer unvergleichlichen Haarfarbe. Es war eng geschnitten, in der Mitte tailliert und verlief bis zu den Waden. Der ganz besondere Kniff aber war, dass es sich an der Seite in einen aufreizenden Schlitz teilte und bei jedem Schritt ihre wohlgeformten Beine zur Geltung brachte, die in glitzernden Pumps steckten. Sie trug einen passenden, ebenfalls roten Hut, der mit Edelsteinen besetzt war und oben spitz wie eine Zuckertüte zulief. In ihrer Hand hielt sie einen Zauberstab, an dessen Ende ein schimmernder Stern angebracht war. Das hübsch geschminkte Gesicht unterstrich ihre Schönheit, die so unbeschreiblich war, dass alle Models auf den Hochglanzzeitschriften gegen diese Untote haushoch mit ihren dürren Milchgesichtern abkacken würden.
Keine Untertreibung!
Ich legte das Buch weg, schloss langsam meine Kauleiste, die sich wie von selbst geöffnet hatte und sah sie sprachlos an. Nach einer Weile brachte ich es fertig, zu pfeifen.
Maggie strahlte über das ganze Gesicht.
„Danke, ich weiß das sehr zu schätzen“, gluckste sie fröhlich.
„Du siehst umwerfend aus!“, rief ich begeistert und stand auf.
Sie drehte sich einmal und knickste dann.
„Vielen Dank! Aber nun los, gleich wird
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