Blutlinien - Koeln Krimi
hat sie in die Klinik nach Leverkusen gebracht.«
Als Lou in der Nacht durch Köln-Flittard fuhr, begann es schlagartig wie aus Kübeln zu gießen. Sie war todmüde und dankbar, dass Chiara sich von einem Kollegen nach Hause fahren ließ. So musste sie die Praktikantin nicht nach Porz bringen.
Die Scheibenwischer des Citroëns arbeiteten auf höchster Stufe. Lou ließ St. Hubertus rechts liegen, fuhr am Friedhof und der freiwilligen Feuerwehr vorbei. Um die Uhrzeit war kein Fahrzeug unterwegs. Sie wählte Clemens’ Handynummer und war überrascht, als er das Gespräch tatsächlich annahm.
»Ich kann nicht schlafen«, sagte er.
»Bist du unterwegs?«
»Wieso? Ich liege im Bett.«
»Ich dachte, ich hätte Fahrgeräusche gehört.«
»Nein, ich bin zu Hause.«
»Wirklich?«
Clemens lachte. »Ist das eins deiner berühmten Verhöre?«
»Quatsch.«
Als Lou nach wenigen Minuten auflegte, überfiel sie ein ungutes Gefühl. Clemens hatte sie angelogen, für so etwas hatte sie einen Riecher.
Sie drehte das Radio an. Als sie auf die Egonstraße fuhr, vertrieb Phil Collins ihre Gedanken und auch die Tatortbilder. Vielleicht setzte sie sich einfach einen Augenblick in die Backstube und schaute Hanna bei der Arbeit zu, die bestimmt gerade Brotteig ansetzte und lauthals »My first, my last, my everything« von Barry White gegen Müdigkeit und Maschinen anträllerte. Brotduft statt Blutgeruch. Lou wollte sofort in diese Welt eintauchen, in der sich alles um Biskuit und Törtchen drehte. Beschlossen. Eine kurze Dusche und auf zu Hanna.
Regen peitschte gegen die Windschutzscheibe, die Sicht war miserabel. Kurz hinter der Flittarder Telegrafenstation stand ein Mercedes am rechten Fahrbahnrand. Warnlichter blinkten.
Lou nahm den Fuß vom Gas. Sie war noch nicht an dem Fahrzeug vorbei, als die Beifahrertür des Wagens aufgestoßen wurde. Im Licht ihrer Scheinwerfer erkannte sie eine blonde Frau. Sie trug einen hellen Mantel und hochhackige Stiefel, steuerte auf den Acker neben der Straße zu, stolperte und rannte weiter. Automatisch stieg Lou auf die Bremse, scherte hinter dem Mercedes ein und sprang aus dem Wagen. Die Frau lief mittlerweile in einiger Entfernung auf eine Baumgruppe zu.
»Polizei! Hallo! Brauchen Sie Hilfe?«, rief Lou.
Offenbar hatte die Frau sie gehört, sie drehte sich um. »Hauen Sie ab! Los … weg …!«
In dem Moment heulte der Motor des Mercedes auf. Das Lenkrad wurde herumgerissen. Der Fahrer des Wagens gab Gas, raste über das Feld und hielt genau auf die flüchtende Frau zu. Augenblicklich saß Lou hinter dem Steuer und jagte mit dem Citroën über die Wiese hinterher. Mit der rechten Hand wühlte sie in ihrer Umhängetasche nach ihrem Handy. Als sie es endlich erwischte, drückte sie die Notrufnummer.
Kein Empfang.
Sie warf das Telefon in die Tasche zurück. Jede Sehne ihres Körpers war angespannt. Immerhin konnte sie erkennen, dass die Gejagte die Baumgruppe erreicht hatte und aus dem Lichtkegel verschwand.
Der alte Citroën rumpelte durch eine Senke. Dort war der Boden zu schlammig, die Reifen drehten durch. Einen Augenblick lang versuchte Lou weiterzukommen, dann stieß sie die Autotür auf und riss die P99 aus dem Holster. Der Mercedesfahrer raste bis an das Wäldchen heran, stoppte. Die Scheinwerfer gingen aus. Im Licht ihres Wagens erkannte Lou die Gestalt eines kräftigen Mannes, der aus dem Fahrzeug sprang und der Frau nachsetzte.
Regen peitschte ihr ins Gesicht. »Stehen bleiben! Polizei!«, schrie sie, die Pistole im Anschlag.
Der Mann verschwand zwischen den Bäumen aus ihrem Sichtfeld. Sie rannte ihm nach. Die glatten Sohlen ihrer Turnschuhe boten kaum Halt, sie rutschte auf der durchgeweichten Wiese ständig aus. Durchnässt erreichte sie schließlich die Bäume und hörte die Hilferufe der Frau. Eine Zehntelsekunde später fiel ein Schuss. Schreie. Lou blieb wie angewurzelt stehen.
Keinen Schritt weiter. Verstärkung anfordern.
Zurück zum Handy, zurück zum Auto.
Lou machte auf dem Absatz kehrt, lief zurück. Die Umrisse des Citroën fest im Blick. Gleich lag der Wald hinter ihr, fast hatte sie die Wiese erreicht. Zum Auto waren es höchstens noch sieben Meter.
Der Schlag auf den Hinterkopf überraschte sie völlig. Sie strauchelte. Gleichzeitig wurde sie an den Haaren gepackt und auf den Bauch geworfen. Eine kräftige Hand drückte ihr Gesicht in nasses Laub. Sie bekam kaum Luft.
»Ein Mucks, und ich jage dir eine Kugel in den Kopf«, flüsterte eine Männerstimme
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