Blutlinien - Koeln Krimi
ist, warum Ihre Schwester tagelang in der Wohnung gelegen hat«, begann Maline. »Anscheinend hat sie niemand vermisst. Weshalb?«
Schweigen. Eine Wanduhr tickte durchdringend.
»Johanna und ich hatten im Grunde kein enges Verhältnis«, sagte Barbara Feldhaus leise. »Sie führte ihr Leben und ich meins.«
Maline forschte in ihrem Gesicht. »Aber immerhin haben Sie Ihre Schwester gefunden. Warum sind Sie in die Wohnung gefahren?«
»Ich habe einen Schlüssel für Notfälle. Gestern waren wir verabredet und wollten einen Onkel besuchen, der seit Kurzem Rentner ist und mit diesem neuen Lebensabschnitt nicht so richtig klarkommt. In solchen Dingen war Johanna äußerst zuverlässig, deshalb habe ich mich gewundert. Hätte ich geahnt, dass sie …« Barbara Feldhaus kämpfte gegen Tränen, schluckte und sammelte sich einen Augenblick. »Normalerweise mache ich mir keine Gedanken. Ricarda ist ja da, sie hat natürlich auch einen Wohnungsschlüssel, aber sie war ja auf Klassenfahrt, das hat Johanna erwähnt, als wir uns verabredet haben. Und dann ist sie nicht gekommen, ich bin hingefahren, sie hatte doch das Geschenk für unseren Onkel, und ich wollte … Oh Gott, meine arme Schwester, sie hat tagelang in diesem Flur gelegen.«
Maline lehnte sich vor. »Ricarda …?«
»Beer, die Lebensgefährtin meiner Schwester.« Barbara Feldhaus sah von Maline zu Chiara. »Ich dachte, Sie wüssten Bescheid. Ich habe sie sofort angerufen. Hat sie sich noch nicht bei Ihnen gemeldet?«
»Bisher nicht.« Maline holte Luft. Unverhofft ergab sich hier eine Parallele zum Fall Karina Marcks. »Wir haben noch nicht alle persönlichen Sachen durchgesehen, aber soweit ich weiß, deutete bis jetzt nichts in der Wohnung auf eine Beziehung hin.«
Maline sah Chiara an. Die Anwärterin schüttelte fast unmerklich den Kopf.
»Das wundert mich nicht. Meine Schwester hatte Probleme mit ihrer Homosexualität und Angst vor Anfeindungen. Diese Furcht saß tief, deshalb lebte sie sie versteckt und fand nicht einmal den Mut, sich in unserer eigenen Familie zu outen.«
Barbara Feldhaus putzte sich die Nase.
»Johanna war stets in Sorge. Sie fürchtete, ihren Job zu verlieren, wenn ihre sexuelle Orientierung herauskommt. Immerhin hat sie für einen kirchlichen Träger gearbeitet.«
»Ehrlich gesagt ist die Angst ja auch nicht unbegründet«, sagte Maline.
»Und trotzdem glaube ich, dass Johanna noch ein weiteres Problem hatte«, sagte Barbara Feldhaus. »Es fiel ihr nicht nur schwer, zu dem Thema zu stehen, sondern auch zu ihrer Freundin.«
»Das müssen Sie uns erklären«, sagte Maline.
»Ricarda ist … na ja, wie soll ich es sagen?« Barbara Feldhaus suchte nach Worten. »Sie ist kein einfacher Mensch. Ich habe nicht viel von den beiden mitbekommen, aber aus den wenigen Andeutungen, die Johanna gemacht hat, schließe ich, dass Ricarda eifersüchtig und besitzergreifend ist, anscheinend ist sie auch schon mal laut geworden. Mir war sie jedenfalls nie besonders sympathisch.«
Maline fuhr sich durch die dunklen Haare. »Trauen Sie ihr zu, etwas mit dem Mord an Ihrer Schwester zu tun zu haben?«
»Das habe ich nicht gesagt, und so weit würde ich auch nicht gehen.«
Maline notierte sich Ricarda Beers Adresse und Telefonnummer. »Wir haben keinen Ausweis in der Wohnung Ihrer Schwester gefunden. Können Sie uns dazu etwas sagen?«
»Bei unserem letzten Telefonat hat sie erwähnt, dass ihre Papiere gestohlen wurden.«
»Wann war das?«, fragte Maline.
»Das weiß ich nicht. Vielleicht kann Ihnen Ricarda da weiterhelfen.«
»Hatte Ihre Schwester ein Hobby, das mit Wassersport zu tun hatte?«, fragte Maline. »Surfen, Tauchen, irgendetwas in diese Richtung?«
Barbara Feldhaus schüttelte den Kopf. »Johanna war denkbar unsportlich, und mit Wasser hatte sie gar nichts zu schaffen. Sie ist als Kind beinahe ertrunken.«
»Hat sie mal jemanden erwähnt, der Wassersport betreibt oder in dieser Branche arbeitet? Vielleicht ihre Freundin?«
»Nein. Ricarda ist ja Lehrerin. Also, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.«
Maline drehte an ihrem Augenbrauenpiercing. »Sagt Ihnen der Name Karina Marcks etwas?«
Barbara Feldhaus überlegte kurz. »Nein, nie gehört. Wieso?«
Aus ermittlungstaktischen Gründen schwieg Maline und war froh, dass es in dem Augenblick an der Ladentür klopfte.
»Ich muss jetzt weitermachen.« Barbara Feldhaus erhob sich schwerfällig. »Ich habe meine Schwester geliebt, auch wenn es manchmal schwierig mit ihr war …
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