Blutlinien - Koeln Krimi
Strukturtapete hing. Sie vermisste ihre Oma schmerzlich und hätte diese tolerante, kluge Frau gerade jetzt, in diesem Augenblick, gern an ihrer Seite gehabt.
Ihr Vater lächelte auffordernd. »Brauchst du Geld? Wenn ja, wie viel?«
Geld. Wenn die Sache nur so einfach wäre. Dana holte tief Luft.
»Ich bin lesbisch.«
Die drei Worte kamen ruhig und deutlich über ihre Lippen, so wie sie es hundertmal vor dem Spiegel und im Beisein ihrer Freundin geübt hatte. Puh. Gesagt. Der Satz war raus, unwiederbringlich. Dana rührte sich nicht und versuchte, in den Gesichtern ihrer Eltern zu lesen. Wie Eisskulpturen saßen sie jetzt da, die Sektgläser in der Hand. Die Zimmertemperatur sank gefühlt auf minus zwei Grad.
»Ich wollte es euch schon lange sagen, aber jedes Mal hat mich der Mut verlassen«, plapperte Dana los, weil sie die Stille nicht aushielt. »Aber im Grunde ist das ein haltloser Zustand. Ich meine, ihr seid meine Eltern …«
»Aber du magst Jungs!« Ihr Vater klang merkwürdig, seine Stimme höher als sonst. »Da war dieser … wie hieß er noch gleich … und dann kam Magnus. Ihr seid monatelang miteinander gegangen. Wie kommst du darauf, dass du … so eine bist?«
»Ich glaube, ich habe mich im Grunde immer zu Frauen hingezogen gefühlt, es aber nicht wahrhaben wollen. Jedenfalls …«
»Schon immer?«, sagte ihre Mutter. »Du meine Güte, du bist gerade erst fünfundzwanzig!«
»Jedenfalls bin ich schon ewig in Lâle verliebt«, fuhr Dana fort. »Wir haben …«
»Lâle? Ich dachte, ihr seid einfach nur …« Ihr Vater brach ab.
»Du hast diese Person mit in unser Haus gebracht!«, schnaubte ihre Mutter. Wir haben sie aufgenommen wie … wie …«
»Christen?«, schlug Dana vor, während ihr Herz wie wild schlug.
»Nun werd nicht zynisch!« Ihre Mutter guckte böse.
»Mama, du magst Lâle! In den höchsten Tönen habt ihr beide sie gelobt. ›Meine zweite Tochter‹ hast du sie neulich genannt!«
Dana sah, wie ihrer Mutter die Farbe aus dem Gesicht wich.
»Und ihr beide seid …« Ihr Vater suchte nach Worten.
»… ein Paar«, half Dana und ärgerte sich, dass ihre Stimme brüchig wurde. Trotzdem holte sie Luft, sie wollte, nein, sie musste alles loswerden und nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Lâle und ich werden heiraten, wir haben eine gemeinsame Wohnung, und morgen kommt der Umzugswagen …«
»Du willst ausziehen?« Hendrik Jacobi schaute von Dana zu seiner Frau.
»Heiraten?« Die Halsschlagader ihrer Mutter schwoll an, auf ihrer hohen Stirn zeigten sich Schweißperlen. »Das geht doch gar nicht! Ich finde es geradezu unerträglich, wie du dich … wie sich diese …«
»Menschen …«, half Dana noch einmal weiter.
»… solcher Begrifflichkeiten bedienen. Die Ehe ist ein heiliger Bund zwischen Mann und Frau, durch die Kirche gesegnet und vom Staat besonders geschützt!«
Dana richtete sich auf, für einen kurzen Moment fühlte sie sich außerordentlich stark. »Dann nenn es meinetwegen Verpartnerung. Darum geht es nicht, das sind nur Worte. Wichtig ist, dass wir uns lieben und füreinander da sein wollen.«
»Hendrik! Sag doch auch mal etwas!«
Danas Vater umschloss sein Sektglas mit beiden Händen und starrte auf den Teppich unter seinen Füßen. »Am besten beruhigen wir uns alle wieder und hängen das Thema gar nicht erst an die große Glocke. Können wir uns nicht einfach darauf einigen, dass wir …«
»… mal wieder alles unter den Teppich kehren?«, beendete Dana den Satz. »Aber unter dem Teppich ist kaum noch Platz, liebe Eltern! Da vergammeln nämlich schon Fabians Drogenprobleme, Oma Heidruns Steuerhinterziehung und, ach ja, die Missbrauchsvorwürfe gegen den lieben Onkel Gunnar.«
»Das kam nie zur Anzeige!«, rief ihre Mutter schrill.
»Können wir nicht wie kultivierte Menschen respektvoll über all diese Dinge reden?« Hendrik Jacobi klang verzweifelt.
Gerda Jacobi warf ihrem Mann einen vernichtenden Blick zu, beugte sich vor, atmete tief durch und sah Dana in die Augen. »Kind, manchmal gibt es Phasen im Leben, zum Beispiel nach einer Enttäuschung, und Magnus hat dich enttäuscht, als er mit dieser Kleinen … sich wegen ihr von dir getrennt hat und … einige Frauen fühlen sich dann vielleicht von Männern abgestoßen, irgendwie. Du bist ja auch noch so jung und experimentierst, da flüchtet man sich vielleicht in scheinbare Alternativen. Aber gleichgeschlechtliche … dieser Akt ist widernatürlich, unmoralisch und dient nicht dem Fortbestand der
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