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Blutlinien - Koeln Krimi

Blutlinien - Koeln Krimi

Titel: Blutlinien - Koeln Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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wanderte im Sekundentakt über die Theke. Drinnen belegte eine Gruppe Japaner zwei Tische. Espressomaschinen dampften, Löffel schlugen beim Einrühren von Zucker gegen weißes Porzellan. Cesare ergatterte einen Platz am Fenster und sah zur Zitadelle hinüber. Hier hatten Marilyn und er unzählige Male gesessen.
    Seine Schwester rückte kein Geld heraus. Nicht einen Cent. Gabriella hatte den Hahn zugedreht, basta – es sei denn, er gäbe questo così chiamato rapporto , die sogenannte »Beziehung« mit Marilyn, auf.
    Nach Venedig sollte Cesare ziehen und Marilyn verlassen. Die ganze Nacht hatten sie deswegen gestritten, und Cesares Wut auf Gabriella war ins Unermessliche gestiegen.
    Vom Ernst der Lage machte sich in Köln niemand eine Vorstellung.
    Täglich verdrängte er das Szenario einer Räumungsklage und weigerte sich, dem sozialen Abstieg ins Auge zu sehen.
    Zeitungen trug Cesare bereits aus. Marilyn gegenüber hatte er versichert, dass er die stillen Morgenstunden in der Stadt liebte und nichts auf der Welt lieber täte, als umherzulaufen und den Stadt-Anzeiger in Briefkästen zu stecken. Dabei stopfte der Vierhundert-Euro-Job die finanziellen Löcher nicht annähernd. Cesare war der Verzweiflung nah.
    Von Anfang an hatte er ihre Existenz abgesichert. Marilyn hingegen war der Schöngeist gewesen, der Künstler, dessen gelegentliche Einnahmen ein Zubrot waren. Nie weniger und selten mehr. Marilyn. Sein männlicher bürgerlicher Vorname spielte nur bei behördlichen Belangen eine Rolle. Die meisten Menschen wussten gar nicht, wie er wirklich hieß. Sein Künstlername war das Letzte, was er sich aus seiner glanzvollen Zeit bewahrt hatte. Marilyn, einst gefeiert zumindest in der lokalen Presse. Er hatte sein Publikum gehabt, in bestimmten Kreisen wurde er bis zum heutigen Tag verehrt. Seine Auftritte im »Pimpernell« oder bei der Ma im »George Sand« waren legendär gewesen, gehörten allerdings der Vergangenheit an. Und Cesare ermutigte Marilyn nicht, seine Travestieshows aufzuwärmen.
    Das Publikum grölte heutzutage nach Knalleffekten und einer Bühnenshow mit Tamtam. Da passte Marilyn nicht hinein. Im Rahmen des Cologne Pride hatten ihn frühere Weggefährten vor Jahren noch einmal auf die Bühne komplimentiert. Geschmeichelt hatte Marilyn sich überreden lassen. Alternde Fans waren erschienen, hatten Rosen auf die Bretter geworfen, die längst nicht mehr Marilyns Welt bedeuteten. Denn leider zeigte sich in erschreckender Deutlichkeit, was Cesare längst geahnt hatte. Von Marilyns ehemals kraftvollem Gesang war nichts geblieben. Zigaretten hatten die Stimme ruiniert. Zu leise und unharmonisch hatte er die Perlen seiner Marilyn-Monroe-Interpretationen vorgetragen und zu schüchtern im Scheinwerferlicht gestanden. Einige Ledertypen hatten angefangen zu grölen, kaum dass er »I wanna be loved by you« angestimmt hatte, und ein großer Teil des jungen Publikums fing einfach an, sich lautstark zu unterhalten, ohne Marilyn weiter zu beachten. Cesare hatte ihn von der Bühne gezogen, bevor die Buhrufe noch lauter geworden wären.
    Seit diesem Tag wirkte Marilyn geknickter als vorher, freute sich nicht einmal mehr über die parfümierte Post, die er gelegentlich immer noch erhielt.
    Nächsten Monat wurde er sechzig. Der Altersunterschied hatte Cesare nie etwas ausgemacht. Was er kaum ertrug, war, dass Marilyn sich gehen ließ. Seine Perücken trug er meist einfach zum Anzug, schlüpfte nur selten in seine schillernden Kleider, überschminkte höchstens an den wenigen guten Tagen seine Traurigkeit mit Glitzer. Aber oft, zu oft, kam er gar nicht aus dem Pyjama.
    Cesare sah das alles, beobachtete die Entwicklung und hatte nicht vor, aufzugeben. Er wollte das Ruder herumreißen. Auch deshalb war er hergeflogen, hatte seine Schwester um Hilfe gebeten und in seiner Verzweiflung sogar angeboten, Marilyn zu verlassen. Aber Gabriella hatte ihm ins Gesicht gespuckt. Ihrem Bruder, dem einzigen Menschen auf der Welt, der immer zu ihr gehalten hatte.
    Der Kellner trat an den Tisch, stellte den Cappuccino etwas zu heftig vor Cesare ab. Kaffee schwappte in die Untertasse.
    Cesare hatte keine Wahl. Jetzt musste er wahrmachen, was er sich vorgenommen hatte, wenn es sonst keinen Ausweg gab. Gabriella sollte sterben. Diese elende erniedrigende Bettelei sollte endgültig der Vergangenheit angehören. Dafür hatte er die Spritzen mit der tödlichen Dosis Schlafmittel nach Italien geschmuggelt. Blut und Wasser hatte er am Flughafen

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