Blutlinien - Koeln Krimi
Küssen.
»Marilyn. Willst du mich küssen? Küssen kann ich noch, und es kann gut sein, dass dieser Kuss mein bester wird.«
Cesare liebkoste den kalten Tod, wobei seine rechte Faust eine Injektionsspritze umschloss. Er zögerte nicht, als er die Nadel in seine Vene stieß, bettete sich höher, damit er seinen Geliebten ansehen konnte.
»Ich schau in dein Gesicht, du schaust in mein Gesicht, mehr interessiert mich nicht, mehr brauch ich wirklich nicht, Marilyn – egal wie man das nennt.«
Cesares Blick blieb auf Marilyn gerichtet. Als der Tod ihn holte, dachte er an ein Meer aus Rosenköpfen. Tiefrote Rosen auf zwei weißen Särgen.
Köln-Höhenhaus, Dhünner Weg
»Ich mache mir Sorgen«, sagte Hendrik Jacobi und folgte seiner Frau ins Wohnzimmer.
Zielstrebig öffnete er das Barfach im Wandschrank und goss Jägermeister in zwei Gläser, reichte eins seiner Frau und stürzte seinen Schnaps sofort hinunter.
»Hat Lâle schon wieder angerufen?«, fragte Gerda.
Hendrik nahm die Brille ab und rieb sich die Augen.
»Hast du mit ihr gesprochen?«, fragte Gerda gereizt. »Am besten ignorierst du sie einfach.«
»Aber ich finde, Lâle hat recht.« Hendrik trank noch einen Schnaps. »Es passt nicht zu unserer Tochter, dass sie sich so lange nicht meldet. Ich habe ihr Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen, aber nichts, keine Reaktion.«
Gerda setzte sich, schlug die Beine übereinander, stieß dabei an den Couchtisch, griff demonstrativ nach einer Illustrierten und blätterte darin. »Dana kann sehr trotzig sein. Ich denke, sie will uns mürbe machen.«
»Und ich möchte die Polizei einschalten. Was ist, wenn ihr wirklich etwas passiert ist?«
»Unsinn, die Polizei schickt uns weg. Unsere Tochter ist erwachsen, da rührt keiner einen Finger.«
Hendrik seufzte und setzte die Brille wieder auf. »Ich habe ein ungutes Gefühl. Sie war so aufgewühlt, als sie aus dem Haus lief. Letzte Nacht habe ich überhaupt nicht geschlafen und …«
»Ich bin immer noch wütend auf sie«, fiel Gerda ihm ins Wort. »Die Art und Weise, wie sie uns vor vollendete Tatsachen gestellt hat, hat mich getroffen.«
»Ich denke, du hast scharf genug zurückgeschossen.« Hendrik lehnte sich zurück, während sein Blick wie magisch zum Foto seiner Mutter wanderte, das neben dem Fernseher an der Wand hing. Natürlich war es Einbildung, aber er hatte das Gefühl, als schüttelte sie missbilligend den Kopf, und das nicht zum ersten Mal.
Er nahm sich vor, das Bild abzuhängen. Warum sollte er sich von einem Foto tyrannisieren lassen, es gab genug Komplikationen in seiner Realität.
Hendrik nahm die Biografie von Stauffenberg in die Hand, die er gerade las, und versuchte, sich zu konzentrieren. Es gelang ihm nicht. Die Geschichte eines Menschen, der sich ohne Rücksicht auf sein Leben für seine Überzeugung einsetzte, beunruhigte ihn heute.
Er hielt es in seinem Sessel nicht länger aus, ging in die Küche und bereitete Schnittchen vor. Hausarbeit entspannte ihn auf verlässliche Weise. Normalerweise. Heute half die Methode nicht, und er begann, sich vor der nächsten Nacht zu fürchten.
Köln-Nippes, Gustav-Nachtigal-Straße
Lâle konnte ihr Glück kaum fassen. »Endlich rufst du zurück!«
»Was ist denn los?« Maline klang gehetzt. »Ich hab gesehen, dass du mehrmals versucht hast, mich zu erreichen. Leider bin ich jetzt echt im Stress.«
»Dana ist verschwunden, und sie meldet sich nicht, antwortet weder auf SMS noch auf Anrufe!«
»Was meinst du mit verschwunden?«
Lâle berichtete, was passiert war.
»Hast du schon bei euren Freunden nachgefragt?«
»Ich habe alle angerufen, und bei der Polizei war ich auch, aber die können oder wollen mir nicht …«
»Lâle, pass auf, ich kann gerade nicht so gut telefonieren. Ich rufe dich zurück, sobald ich Zeit habe. Wo bist du?«
»In Nippes, ich stehe in der Gustav-Nachtigal-Straße und suche das Haus, in dem du zurzeit wohnst.«
»Ich verstehe deine Sorge, und es ist auch wirklich komisch, dass sich Dana so lange nicht meldet, aber manchmal macht sie ja solche Sachen. Denk mal an die Situation, als sie einfach mit dem Schiff nach Linz gefahren ist, spontan, weil ihr gerade der Sinn danach stand.«
»Aber da hat sie wenigstens angerufen!«
»Erst nach Stunden. Du hast dir tierische Sorgen gemacht!«
»Ja, aber …«
»Lâle, ich habe gerade ein aktuelles Problem und ziemlichen Druck. Fahr nach Hause, und ich versuche, dich später zu erreichen. Ich verspreche es.«
Lâle
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