Blutlinien - Koeln Krimi
genug von dir.
Nein, das war undenkbar. Niemals hätte Marilyn ihn verlassen. Solche Gedanken durfte er nicht zulassen.
Cesare sank erschöpft zu Boden. Er fror so schrecklich.
»Und wir zünden einander an, und wir halten einander warm. Sag mal, Marilyn, weißt du nicht, wie schön du bist?«
Zeit zerrann. Die Aufklärung des Verbrechens verlor an Bedeutung.
Wenn er die Polizei rief, würden sie Marilyn holen kommen, ihn mitnehmen, in der Rechtsmedizin aufschneiden, seine Gedärme herausholen, den Körper bestimmt mit Plastik füllen und mit groben Stichen zunähen. Das konnte er nicht erlauben. Nein! Niemals.
Cesare stellte die Dusche an und stieg in die Kabine, ließ Wasser über sein Gesicht und den Anzug laufen. Seine Schuhe sogen sich voll.
Er glitt in die Hocke, kauerte unter dem Duschstrahl und verharrte regungslos.
»Du bist Marilyn Monroe. Ist für mich okay. Und kann es nicht sein, dass von uns zweien die Welt noch hört?«
Marilyn ist tot. Gegangen für immer. Lass den Gedanken zu und verabschiede dich. Sein letzter Vorhang ist gefallen.
Die Beerdigung sollte jede andere Trauerfeier in den Schatten stellen. Ein Meer aus Rosen schwebte Cesare vor. Rote Rosen auf einem weißen Sarg. Dazu ein Kondukt, das länger war als die Millionenallee auf Melaten. Und »Calling All Angels« sollte von der Empore der Kapelle schallen. Glockenklar und zart gesungen von einem Chor. Gabriellas ganzes Geld konnte dafür draufgehen.
Trotz des heißen Wassers begann Cesare zu frieren. Umständlich kletterte er aus der Wanne, störte sich nicht an der Nässe, die er auf dem Boden hinterließ.
Er entledigte sich der triefenden Kleider, trocknete sich mit einem Handtuch ab und griff seinen Pyjama, der zum Glück noch am Haken hing. Doch er schaffte es nicht, ihn überzustreifen. Schlaff sanken seine Arme herab, gehorchten nicht.
»Unser Feuer, es geht niemals aus, doch ganz sicher müssen wir jetzt raus. Sag mir, Marilyn, weißt du nicht, wie gut du bist?«
Cesare sank auf die Fliesen, wurde von einem erneuten Weinkrampf geschüttelt, rollte sich zusammen und weinte hemmungslos.
»Marilyn, egal, wie man das nennt, weißt du denn nicht, dass ich für dich brenn.«
Köln-Niehl, Polizeiinspektion 4, Friedrich-Karl-Straße
Lâle trat an die Glasscheibe. Eine Polizistin telefonierte, und eine weitere schaute sie aufmunternd an.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben.«
»Dann nehmen Sie bitte im Wartebereich Platz.« Die Beamtin deutete auf Hartplastikschalen, die gegenüber dem Eingangsbereich angebracht waren. »Es kommt gleich jemand zu Ihnen.«
Erschöpft ließ sich Lâle nieder, unruhig wippte sie mit den Beinen. Die Sorge um Dana wurde von Stunde zu Stunde größer, auch wenn sie sich zu beruhigen versuchte. Es hatte Ärger gegeben, das wusste Lâle mittlerweile in allen Details von Fabian. Danas Bruder hatte ihr erzählt, dass er seine Mutter noch nie so wütend gesehen hatte wie gestern Abend. Er selbst verstand den Wind nicht, den seine Eltern um die Homosexualität seiner Schwester machten.
Kein Wunder, dass Dana abgehauen war. Trotzdem konnte sich Lâle den Verbleib ihrer Freundin nicht erklären. Ja, Dana fand nicht immer Worte für das, was sie bewegte, ließ sich nicht gerne trösten, aber sie hätte längst auftauchen müssen. Und dass sie gar nicht reagierte, obwohl das Handy eingeschaltet war, hielt Lâle zusätzlich für ein schlechtes Zeichen. Für sie gab es nur eine Erklärung: Dana musste etwas zugestoßen sein.
Und genau das erklärte sie dem Polizisten, der sie zehn Minuten später zur Anzeigenaufnahme befragte. Aber für seine Ohren klang die ganze Situation offenbar nicht plausibel.
»Ich verstehe Ihre Sorge, wirklich. Aber Ihre Freundin ist erwachsen, und sie gehört nicht zu dem Personenkreis, für den wir eine Suchaktion starten.«
»Aber Dana hat sich jetzt schon seit gestern Nachmittag nicht mehr bei mir gemeldet«, entgegnete Lâle und schaffte es nur mit Mühe, ruhig zu bleiben.
»Wie ich schon sagte, wenn wir keinen Anhaltspunkt für ein Verbrechen haben, sind uns die Hände gebunden.« Der Polizist fuhr sich über seinen ergrauten Schnäuzer. »Haben Sie denn versucht, Ihre Freundin auf dem Handy zu erreichen?«
»Natürlich! Was glauben Sie denn! Ich habe ihr letzte Nacht eine SMS nach der anderen geschickt, heute bestimmt schon zwanzig, aber nichts. Sie reagiert überhaupt nicht.«
Der Polizist hob die Augenbrauen. »Sie sagten, dass sie
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