Blutlust
ich im ersten Moment glaubte. Denn wenn ich ganz tief in meinem Innern ehrlich zu mir selbst war und den Gefühlen nachging, die sein dunkler Blick, die Festigkeit seiner tiefen Stimme, sein betörender Duft und die zurückgehaltene Kraft seiner Hand in mir auslösten, hätte ich jetzt nur zu gerne auch an einer der vielen Ketten oder Andreaskreuze gehangen und mich von Max verwöhnen lassen.
Aber bitte ohne Publikum.
»Ich weiß nicht«, sagte ich zögerlich. Ich wollte ihm auf gar keinen Fall wie ein spießiges Mauerblümchen erscheinen.
»Es ist allein mein Fehler«, sagte er warmherzig, ja geradezu verständnisvoll. »Ich hätte dich vorwarnen sollen, wie es hier zugeht. Komm, ich bring dich zur U-Bahn zurück.«
Und damit dann gleich wieder raus aus deinem Leben, weil du glaubst, ich sei prüde?
Keine Chance!
»Ein Viertelstündchen kann ich ja bleiben«, beeilte ich mich daher zu sagen, und ehe ich es mir wieder anders überlegen und kneifen konnte, zog ich ihn weiter in den Raum; festen Willens, ihm zu beweisen, dass ich kein verklemmtes Landei war.
»Wo gibt es Drinks?«
»Hey«, sagte er und bremste mich. »Du musst das nicht tun, nur um mir etwas zu beweisen, Sinna.«
Ich schaute ihn an. »Hm. Lieb, dass du das sagst; vielleicht will ich dir aber etwas beweisen.«
Er legte mit einem erstaunten, aber geschmeichelten Lächeln den Kopf zur Seite.
»Sicher?«
»Na ja«, sagte ich nach einem kurzen Zögern. »Vielleicht nicht nur dir. Vielleicht auch mir selbst.«
Unter anderem war ich nach New York gekommen, um meinen ziemlich kleinen Horizont zu erweitern und das Leben in der großen weiten Welt kennenzulernen. Diese Party war ein Teil davon. Wer war denn ich, mit meinen Moralvorstellungen aus St. Michaels, Devils Lake, North Dakota, hier ein Urteil zu fällen?
»Also gut«, sagte Max. »Aber sobald du dich unwohl fühlst, sagst du es mir. Ich bin all das hier«, er machte eine beschreibende Geste durch den Raum, »schon so sehr gewohnt, dass ich vielleicht nicht mehr merke, was davon jemanden wie dich abstoßen oder erschrecken könnte. Okay?«
»Okay«, sagte ich. »Ich sag Bescheid, wenn es mir zu viel wird. Verlass dich drauf.«
Seine Augen versuchten noch ein paar Momente lang, mich zu ergründen. Schließlich nickte er und führte mich zu einer der Theken.
Darauf rekelte sich eine kleine Asiatin, die tatsächlich wie eine riesige Obstplatte angerichtet war.
Zwischen ihren erstaunlich großen und nackten Brüsten lagen Trauben, auf ihrem Bauch Äpfel, Kiwis und Bananen und zwischen ihren Schenkeln eine Schale Erdbeeren.
Max nahm eine davon, zupfte das Grüne ab und bot sie mir an. Einem ersten Instinkt folgend, wollte ich ablehnen, aber dann befürchtete ich wieder, er könne mich für spießig halten, und nahm sie mit dem Mund aus seinen Fingern. Dabei berührte ich ihn wie zufällig mit den Lippen. Sein Lächeln fühlte sich an wie ein Lohn.
Er winkte einer Rothaarigen hinter der Theke zu. Sie trug ein Taillenmieder, das ihre Brüste unbedeckt ließ. Sie senkte den Blick, verneigte sich vor ihm auf eine Weise, die ich nur als ehrfürchtig beschreiben kann, und fragte, »Was darf es sein, Gebieter?«
Gebieter?
Das nenne ich mal Stil.
Mir fiel auf, dass dabei nicht nur ihre Wangen dunkler, sondern auch ihre hellen Nippel kleiner wurden und ganz steif, wie meine heute Morgen unter der kalten Dusche … oder in Momenten äußerster Erregung.
»Zwei Blutcocktails«, sagte Max, und der Rotschopf machte sich sofort eifrig an die Arbeit.
Blutcocktails?
Na ja, eine Motto-Party braucht wohl auch Motto-Drinks.
»Keine Sorge«, lächelte er mir zu. »Das ist nur Blutorangensaft mit Grenadine und ein wenig Wodka. Oder möchtest du deinen lieber ohne Alkohol?«
Pah! Und mich dadurch noch mehr als Langweilerin disqualifizieren?
»Für mich einen doppelten Wodka«, sagte ich kess zu der Barfrau.
Sie lächelte mich an und zwinkerte mir flirtend zu. Sie trug lange, spitze Reißzahnaufsätze.
Also hatte ich mich vorhin bei der Schwarzhaarigen auf dem Thron tatsächlich nicht getäuscht. Das perfekte Accessoire für eine Vampir-Party.
»Wo sind denn deine Beißerchen?«, fragte ich Max neckend.
Auch er zwinkerte mir zu und drehte sich kurz weg. Ich konnte sehen, dass er irgendetwas aus der Tasche holte und sich am Mund herumfummelte. Dann drehte er sich ganz langsam wieder zu mir, zwinkerte mir zu und bleckte schmunzelnd die Zähne.
Was für Hauer!
Ich muss zugeben, mir wurden die Knie
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