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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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getötet. Doch Lily wandte sich nicht ab, sie blieb an Janes Seite stehen, den Blick starr auf die Grube zu ihren Füßen gerichtet.
    Das Seil spannte sich noch stärker und hievte seine Last aus den schwarzen Fluten, in denen Brocken der zerbrochenen Eisdecke schwammen. Ein Taucher war schon unten gewesen und hatte sich vergewissert, dass das Wrack tatsächlich da war, doch das Wasser war zu trüb gewesen, das aufgewirbelte Sediment zu dicht, als dass er im Inneren etwas hätte erkennen können. Jetzt schien der See plötzlich zu kochen, und im nächsten Moment tauchte der Wagen auf. Durch die Luft in den Reifen hatte er sich im Hinabsinken aufs Dach gedreht, und so kam nun die Unterseite zuerst zum Vorschein. Das Wasser strömte von dem verrosteten Metall herab. Wie ein auftauchender Wal durchbrach die hintere Stoßstange die Oberfläche. Das Nummernschild war nach einem Jahrzehnt im Wasser von einer dicken Schicht aus Algen und Ablagerungen überzogen. Der Motor des Krans drehte noch höher, und sein durchdringendes Heulen bohrte sich in Janes Schädel. Sie spürte, wie Lily sich ängstlich an sie drückte, und sie dachte, dass die junge Frau sich nun sicher abwenden und in ihrem Wagen Zuflucht suchen würde. Doch Lily blieb standhaft, als der Kran seine Last über die Kante des Steinbruchs schwang und sie sanft auf dem Schnee absetzte.
    Ein Arbeiter hängte das Seil aus. Wieder jagte der Kranführer den Motor hoch und versetzte dem Wrack einen leichten Stoß, sodass es auf die Räder kippte. Wasser strömte aus der Karosserie und färbte den Schnee schmutzig braun.
    Im ersten Moment ging niemand darauf zu. Sie warteten alle in sicherem Abstand, während das Wrack leer lief. Dann zog Dr. Kibbie sich Handschuhe an und stapfte durch den nun mehr matschigen Schnee auf die Fahrertür zu. Er zog daran, doch sie ließ sich nicht öffnen. Kibbie ging um den Wagen herum, riss am Türgriff der Beifahrerseite und machte einen Satz nach hinten, als die Tür aufflog und ein Wasserschwall hervorbrach, der seine Stiefel und seine Hose durchnässte.
    Er sah sich kurz zu den anderen um und richtete den Blick dann wieder auf die offene Tür, aus der es immer noch tropfte. Dann holte er tief Luft, als müsse er noch einmal seinen gan zen Mut zusammennehmen, ehe er sich dem Anblick aussetzte, und beugte sich ins Wageninnere. Eine ganze Weile ver harrte er so mit gebücktem Oberkörper, während die anderen nur sein Hinterteil aus der Tür ragen sahen. Dann richtete er sich abrupt auf und drehte sich zu ihnen um.
    »Da drin ist nichts«, sagte er.
    »Was?«, fragte Jane.
    »Es ist leer.«
    »Kein Skelett, gar nichts?«
    Dr. Kibbie schüttelte den Kopf. »In dem Wagen ist keine Leiche.«
    »Die Taucher haben nichts gefunden, Lily. Keine Leiche, kein Skelett. Nicht eine Spur, die darauf hindeutet, dass Ihr Cousin je dort im Wasser gelegen hat.«
    Sie saßen in Janes parkendem Wagen. Es hatte zu schneien begonnen, und die Flocken überzogen die Windschutzscheibe mit einem immer dichter werdenden Spitzenschleier.
    »Ich habe es doch nicht geträumt«, entgegnete Lily. »Ich weiß, dass es passiert ist.« Sie blickte Jane aus ruhelosen Augen an. »Warum sollte ich so etwas erfinden? Warum sollte ich gestehen, ihn getötet zu haben, wenn es gar nicht wahr wäre?«
    »Wir haben uns davon überzeugt, dass es der Wagen Ihrer Mutter ist. Die Zulassung ist seit zwölf Jahren nicht erneuert worden. Der Schlüssel steckt noch im Zündschloss.«
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass es so sein würde. Ich habe Ihnen genau beschrieben, wo Sie den Wagen finden würden.«
    »Ja, alles, was Sie uns gesagt haben, hat sich bestätigt, bis auf dieses kleine Detail. Es gibt keine Leiche.«
    »Sie könnte inzwischen vermodert sein.«
    »Dann müsste wenigstens das Skelett noch übrig sein. Da ist aber nichts. Keine Kleidungsstücke, keine Knochen.« Jane machte eine Pause. »Sie wissen, was das bedeutet.«
    Lily schluckte und starrte auf die Windschutzscheibe, die jetzt ganz mit Schnee bedeckt war. »Er lebt.«
    »Sie sind nicht vor einem Gespenst oder einem bösen Geist davongelaufen. Er ist immer noch ein Mensch aus Fleisch und Blut, und ich könnte mir vorstellen, dass er ziemlich sauer auf Sie ist, weil Sie versucht haben, ihn zu töten. Das steckt hinter alldem, Lily: Rache. Vor zwölf Jahren war er fast noch ein Kind. Aber jetzt ist er ein Mann, und er kann es Ihnen endlich heimzahlen. Letzten August hatte er Ihre Spur in Italien verloren und wusste nicht,

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