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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Handflächen brannten. Sie hum pelte über die Straße, ging ein paar Schritte den Gehsteig entlang und erstarrte.
    Ein Streifenwagen war soeben um die Ecke gebogen.
    Mit einem Satz war sie im Park und tauchte hinter den Büschen ab. Dort wartete sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, doch der Streifenwagen kam nicht vorbei. Sie spähte durch die Zweige und sah, dass er mit laufendem Motor vor dem U-Bahn-Eingang hielt. Verdammt. Zeit für einen neuen Plan.
    Sie blickte sich um und entdeckte am anderen Ende des Parks ein weiteres U-Bahn-Schild. Sofort stand sie auf und lief, immer im Schatten der Bäume, quer über die Grünfläche. Eine Eisschicht überzog den Schnee, und bei jedem Schritt knirschte es laut, wenn ihr Fuß durch die Kruste brach und in den tiefen Schnee darunter sank. Sie kämpfte sich mühsam weiter, verlor beinahe einen Schuh und keuchte vor übermenschlicher Anstrengung. Da vernahm sie, fast übertönt vom Brausen ihres eigenen Atems, ein anderes Geräusch hinter sich - ein Knirschen, ein Knarren. Sie blieb stehen, fuhr herum - und spürte, wie ihr Herz zu Eis erstarrte.
    Die Gestalt stand unter einem Baum - gesichtslos, eine schwarze Silhouette, halb verschmolzen mit der Dunkelheit. Das ist er.
    Mit einem erstickten Schluchzen ergriff Lily die Flucht, stolperte durch den Schnee, sank immer wieder durch die Eiskruste ein. Ihre eigenen Atemgeräusche und das Häm mern ihres Herzens machten es ihr unmöglich, ihren Verfolger zu hören, doch sie wusste, dass er direkt hinter ihr war. Er war immer direkt hinter ihr gewesen, jede Minute, jeden Atemzug, war ihr auf Schritt und Tritt gefolgt, das Verhängnis in ihrem Nacken. Aber noch nie so nahe, nie so nahe! Sie drehte sich nicht um, wollte nicht sehen, wie die Kreatur aus ihren Albträumen näher und näher kam. Sie rannte blindlings weiter, nur noch mit einem Schuh jetzt, die Socke mit eisigem Wasser getränkt.
    Und dann taumelte sie plötzlich aus einer Schneewehe hinaus und fand sich auf dem Gehsteig. Der U-Bahn-Eingang war direkt vor ihr. Sie flog die Treppe hinunter und rechnete halb damit, das Rauschen von Schwingen hinter sich zu hören, die scharfen Klauen zu spüren, die sich in ihren Nacken bohrten. Doch alles, was sie fühlte, war der warme Luftzug des U-Bahn-Tunnels in ihrem Gesicht. Scharen von Pendlern strömten vom Bahnsteig auf die Treppe zu.
    Keine Zeit, nach Münzen zu kramen. Spring über das Dreh kreuz!
    Sie kletterte unbeholfen hinüber, und der Fuß mit der nassen Socke landete klatschend auf den Fliesen. Zwei Schritte - und sie kam schlitternd zum Stehen.
    Jane Rizzoli stand direkt vor ihr.
    Lily wirbelte herum, zu dem Drehkreuz, über das sie gerade gestiegen war. Da stand ein Cop und versperrte ihr den Weg.
    Panisch blickte sie sich in der Station um, auf der Suche nach der Kreatur, die sie verfolgt hatte, doch sie sah nur verdutzte Pendler, die sie anstarrten.
    Da schloss sich ein Metallreif um ihr Handgelenk.
    Sie saß in Janes parkendem Wagen, zu erschöpft, um an einen Fluchtversuch zu denken. Ihr Fuß steckte in der nassen So cke wie in einem Eisblock, und obwohl die Heizung auf vollen Touren lief, wollte ihr einfach nicht warm werden, und sie konnte nicht aufhören zu zittern.
    »Okay, Lily«, sagte Jane. »Jetzt werden Sie mir die Wahrheit sagen.«
    »Sie werden mir die Wahrheit nicht glauben.«
    »Wollen wir wetten?«
    Lily saß regungslos da; das Haar fiel ihr wirr ins Gesicht. Es spielte keine Rolle mehr. Sie war des Davonlaufens müde. Ich gebe auf.
    »Wo ist Dominic?«, fragte Jane.
    »Er ist tot«, sagte Lily.
    Einige Sekunden verstrichen, während die Polizistin die Information verarbeitete, während sie zu ihren eigenen Schlussfolgerungen gelangte. Durch das geschlossene Fenster drang das Sirenengeheul eines vorbeifahrenden Löschfahrzeugs, aber hier im Wagen war das einzige Geräusch das Zischen des Gebläses.
    »Haben Sie ihn getötet?«, fragte Jane.
    Lily schluckte. »Ja.«
    »Seine Mutter hat ihn also nie abgeholt, nicht wahr? Sie ist nie mit ihm ins Ausland gefahren. Deswegen haben Sie diesen Brief an die Schule geschrieben.«
    Lily ließ den Kopf noch tiefer sinken. Es hatte keinen Sinn, irgendetwas zu leugnen. Diese Frau hatte schon die Zusammenhänge erfasst. »Die Schule rief an. Immer wieder haben sie angerufen und wollten wissen, ob er wiederkäme. Ich musste den Brief schreiben, damit sie aufhörten, mich zu fragen, wo er war.«
    »Wie haben Sie ihn getötet?«
    Lily schöpfte zitternd Atem. »Es war

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