Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
war die Dunkelheit hereingebrochen. Der Wind pfiff ums Haus, die Fenster ratterten, und ein plötzlicher Luftzug ließ eine Rauchwolke aus dem Kamin hervorquellen. Als ob Luzifer seinen Auftritt an kündigt , dachte Jane. Die zwei Dobermänner, die neben Edwinas Sessel lagen, hoben die Köpfe, als witterten sie einen Eindringling.
    Lily stand vom Sofa auf und trat näher an den Kamin. Den lodernden Flammen zum Trotz war es kühl im Zimmer, und sie zog sich eine Decke um die Schultern, während sie in die Flammen starrte, deren orangefarbener Schein sich in ihrem Gesicht spiegelte. Sie saßen alle hier fest, aber Lily war die wahre Gefangene. Die eine Person, die von Dunkelheit umfangen schien, wohin sie auch ging. Lily hatte den ganzen Abend wenig gesprochen. Sie hatte ihr Essen kaum angerührt, und auch jetzt griff sie nicht nach ihrem Weinglas, als alle anderen Edwinas Aufforderung Folge leisteten.
    »Auf Oliver«, murmelte Sansone.
    Sie hoben ihre Gläser zu einem stummen letzten Gruß. Jane nahm nur einen kleinen Schluck. Ihr wäre ein Bier jetzt wesentlich lieber gewesen, und so schob sie Maura ihr Glas hin.
    »Wir brauchen frisches Blut, Anthony«, sagte Edwina. »Ich habe über geeignete Kandidaten nachgedacht.«
    »Ich kann niemanden bitten, uns beizutreten. Nicht jetzt.« Er sah Maura an. »Es tut mir nur leid, dass Sie in diese Sache hineingezogen wurden. Sie wollten nie etwas damit zu tun haben.«
    »Ich kenne einen Mann in London«, fuhr Edwina fort. »Ich bin sicher, dass er bereit wäre. Ich habe seinen Namen bereits Gottfried vorgeschlagen.«
    »Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, Winnie.«
    »Aber wann sonst? Dieser Mann hat vor Jahren mit mei nem verstorbenen Mann zusammengearbeitet. Er ist Ägyptologe, und er kann wahrscheinlich alles interpretieren, was Oliver …«
    » Niemand kann Oliver ersetzen.«
    Sansones schroffe Entgegnung schien Edwina zu verblüffen. »Selbstverständlich nicht«, sagte sie schließlich. »So habe ich das auch nicht gemeint.«
    »Hat er in Boston bei Ihnen studiert?«, fragte Jane.
    Sansone nickte. »Er war erst sechzehn; der jüngste Studienanfänger am ganzen College. Von dem Tag an, als er das erste Mal in meiner Vorlesung erschien, wusste ich, dass er hochbegabt war. Er stellte mehr Fragen als irgendjemand sonst. Die Tatsache, dass er im Hauptfach Mathematik studierte, war, wie sich zeigte, einer der Gründe, weshalb er auf seinem Gebiet so herausragend war. Er musste nur einen Blick auf irgendeinen obskuren antiken Code werfen und erkannte sofort die verborgenen Muster.« Sansone stellte sein Weinglas ab. »Ich habe nie jemanden wie ihn kennengelernt. Man sah sofort, dass er ein Genie war.«
    »Anders als der Rest von uns«, kommentierte Edwina und lachte trocken. »Ich gehöre zu jenen wenig genialen Mitgliedern, die erst von jemandem empfohlen werden mussten.« Sie sah Maura an. »Sie wissen doch, dass Sie von Joyce O'Donnell vorgeschlagen wurden?«
    »Maura hat in diesem Punkt gemischte Gefühle«, bemerkte Sansone.
    »Sie haben Joyce nicht sonderlich gemocht, nicht wahr?«
    Maura trank Janes Wein aus. »Ich ziehe es vor, über Tote nichts Schlechtes zu sagen.«
    »Meine Meinung darf jeder gern hören«, meldete Jane sich zu Wort. »In einer Einrichtung, die eine Joyce O'Donnell aufnimmt, möchte ich lieber nicht Mitglied sein.«
    »Ich denke, Sie würden uns ohnehin nicht beitreten«, meinte Edwina, die schon die nächste Flasche öffnete. »Denn Sie glauben ja nicht an ihn.«
    »An Satan?« Jane lachte. »Den gibt's nicht, basta.«
    »Wie können Sie das sagen, nach all den Gräueltaten, die Sie in Ihrem Beruf erlebt haben?«, fragte Sansone.
    »Begangen von ganz gewöhnlichen Menschen. Und an satanische Besessenheit glaube ich übrigens auch nicht.«
    Sansone beugte sich zu ihr vor, und der Schein der Flammen fiel auf sein Gesicht. »Haben Sie vom Fall des Teetassen-Giftmörders gehört?«
    »Nein.«
    »Das war ein junger Engländer namens Graham Young. Mit vierzehn begann er, Mitglieder seiner eigenen Familie zu vergiften. Seine Mutter, seinen Vater, seine Schwester. Schließlich wurde er wegen des Mordes an seiner Mutter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nachdem er Jahre später wieder auf freien Fuß kam, fing er sofort wieder an, Menschen zu vergiften. Als man ihn nach seinen Motiven fragte, antwortete er, er tue das alles aus Spaß. Und um berühmt zu werden. Er war kein ›ganz gewöhnlicher Mensch‹.«
    »Nein, eher ein Soziopath«,

Weitere Kostenlose Bücher