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Blutmaske

Blutmaske

Titel: Blutmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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und bekreuzigte
sich. »Dieses Vieh … stinkt infernalisch und ist … hässlich.« Er
betrachtete die starken Klauen, den großen Kopf, die gewaltigen
Kiefer, das buschige Schwanzende und die kleinen,
spitzen Ohren eingehend. Sein sonst so freundliches Gesicht
verzog sich voller Abscheu. »Was soll das sein? Ein Wolf aus
der Hölle?«
    Jeans braune Augen glitten über das, was sie seit vier Tagen
auf Bitten des befreundeten Wildhüters DeBeaufort im
Vivarais gejagt hatten. Eigentlich stammten er und seine Söhne
aus dem benachbarten Gévaudan-Gebiet. Nach einundzwanzig
getöteten Schafen, zwei gerissenen Kühen und einem
toten Hirten hatten die Bauern gedroht, den guten Bekannten
aus seinem Amt zu werfen. Die Chastels waren daraufhin ins
östliche Südfrankreich gereist, um ihm beizustehen.
    Nicht zuletzt verstand Jean es auch als Vorsorge. Fand
der gewiss tollwütige Wolf hier nichts mehr, käme er ins
Gévaudan. Nur ein toter Wolf war ein guter Wolf. Wenn es
sich überhaupt um einen handelte. Was er gerade betrachtete,
hatte nichts mit einem der Graupelze gemein, die er kannte.
»Loup-Garou«, gab Antoine leise lachend die Antwort auf
Pierres Frage. Er drehte sich grinsend zu seinem Vater um.
»Wir haben einen leibhaftigen Werwolf gefangen!«
    »Aber ich dachte, es gibt sie nur in Geschichten.« Pierre
nahm den Dreispitz vom Kopf, wischte sich den Schweiß von
der Stirn und setzte den Hut wieder auf die kurzen schwarzen
Haare; dabei fiel sein Blick auf den dicken Ast, über den die
Kette lief. Die Rinde und das Holz darunter waren regelrecht
abgehobelt worden. »Er hat lange gekämpft«, sagte er und
machte die anderen auf die Scheuermale aufmerksam. »Ich
danke Gott, dass wir der Bestie nicht bei der Jagd gegenüberstanden.
Sie wird mehr als eine Kugel vertragen. Die Zähne …«
    Er schüttelte sich.
    Jean entdeckte tatsächlich vier verheilte Einschusslöcher
am Leib der Bestie. »Du hast Recht. Das erklärt, weshalb De-
Beauforts Treffer keine Wirkung zeigten. Ein gewöhnlicher
Wolf wäre nach einem Schuss schon tot gewesen.« Jean hatte
sich bereits gewundert, weshalb ihn sein in der Jagd erfahrener
Freund um Beistand bat. »Ich hielt seinen Bericht zuerst
für eine Übertreibung.«
    Antoine ging zum Stamm der Buche und machte sich daran,
die Bolzen zu lösen, mit denen die Fangkette gesichert war,
um das Wesen zur Erde zu lassen. »Sie werden uns feiern wie
Helden«, freute er sich. »Wir können eine stattliche Belohnung
fordern. Wenn wir das Biest in seine Einzelteile zerlegen und
verkaufen, machen wir ein kleines Vermögen.«
    »Die Mädchen werden dich anhimmeln, das meinst du doch.«
Pierre spie aus. »Ich habe gesehen, dass du wieder einmal deine
Finger nicht von einer Kleinen lassen konntest. Du hast sie auf
deinem Schoß reiten lassen.«
    Sein jüngerer Bruder hielt inne und schaute rasch zum
Vater, dessen Miene sich verfinsterte. »Nein, ich habe nichts
getan!«, wehrte er ab. »Pierre hasst mich, das weißt du, Vater.
Er will mich bei dir …«
    Jean kam auf ihn zu. »Pierre lügt nicht.« Er baute sich vor
ihm auf. »Im Gegensatz zu dir. Was hast du dieses Mal getan?
Wie alt war sie?«
    »Sechzehn«, erwiderte Antoine und wollte sich der Kette
widmen, aber sein Vater packte ihn bei der Schulter und drehte
ihn mit Gewalt herum, so dass er ihm ins Gesicht blickte.
Die grünen Augen hielten dem wütenden Braun nicht lange
stand. »Zwölf«, brach es gequält aus ihm heraus, und er senkte
den Kopf. »Vater, ich kann nichts dafür! Es ist …«
    »Schwein!« Jean schlug ihm die Faust gegen die Lippen, Antoine
verlor den Dreispitz und prallte mit dem Rücken gegen
den Kadaver der Bestie, der daraufhin wie eine Marionette
grotesk zu zappeln und zu tanzen begann; die Kette klirrte
und spielte die Melodie dazu. »Ich habe es dir bereits zu oft gesagt:
Lass die Kinder in Ruhe«, warnte er ihn mühsam beherrscht.
»Kauf dir so viele Huren wie du möchtest, aber fass
die Unschuldigen nicht an! Wenn sie dich festnehmen, werde
ich dich nicht schützen.« Abrupt drehte er sich um. »Und jetzt
lass das Vieh runter, ehe die Maden es auffressen.«
    Antoine fuhr sich mit dem Rockaufschlag über den geschundenen
Mund, wischte das Blut von den aufgeplatzten
Lippen und stierte seinen Bruder an. Lautlos formte er das
Wort Verräter. Er griff nach seinem Hut, stülpte ihn auf
die langen, ungepflegten schwarzen Haare und lockerte die
Bolzen so weit, bis sich die Kette abwickelte.
    Der Körper des seltsamen Tiers prallte

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