Blutmond der Templer
unzählige Staubkörper in einem verwirrenden Muster.
Suko hatte die Tür geschlossen. Er folgte uns. Der Abbé und ich waren stehengeblieben. Mein Blick durchstreifte den großen Raum, und ich wunderte mich, daß ich keinerlei Gegenstände sah. Er wirkte wie leergeräumt. Über meinen Rücken rann ein Frösteln. Ob es an der Kühle lag oder an der ungewcihnlichen Stille, konnte ich nicht sagen. Wahrscheinlich traf beides zu.
»Es ist leer, nicht?« fragte der Abbé. Er hatte so laut gesprochen, daß seine Stimme hallte.
»Ja.«
»Ich spürte es. Niemand empfing uns. Wir müssen davon ausgehen, daß sie auch nicht mehr kommen werden.«
»Dabei hattest du auf Salazar all deine Hoffnungen gesetzt?«
»Vielleicht können wir ihn noch begrüßen. Ansonsten ist diese Stätte dem Tod geweiht. Sie wartete auf den Blutmond.«
»Eine Frage habe ich, Abbé. Weshalb hast du uns ausgerechnet hierher geführt? Hat der Ort eine magische oder historische Bedeutung?«
Bloch nickte mir zu. »Ja, er besitzt eine historische Bedeutung. Er ist ein außergewöhnlicher Flecken Erde. Hier haben die Templer gelebt, begreift ihr? Hier haben sie ihren Stützpunkt gehabt, hier sind sie dem Geheimnis auf die Spur gekommen. Vielleicht haben sie ihr Wissen an die Johanniter weitergegeben. Deshalb hat der Orden darunter leiden müssen. Ich kann nur raten.«
»Wir sollten uns die Örtlichkeiten genauer anschauen«, schlug Suko vor.
»Besonders interessiert es mich, ob Salazar noch lebt.«
»Vielleicht findet ihr ihn im Turm. Es gibt dort oben, wie ich weiß, einen Kaum, der nur dem Abt des Klosters zustand. Wenn es eine Chance gibt, mehr über Salazars Schicksal zu erfahren, dann da oben.«
»Gehen wir gemeinsam?«
»Nein, John, der Weg ist mir zu beschwerlich. Tch möchte hier unten bleiben und auf euch warten.«
»Denkst du auch an die Mörder, Abbé?«
»Ja, aber ich kann mich auch wehren. Deshalb solltest ihr euch um mich keine Gedanken machen. Ich besitze den Würfel. Er verleiht mir Kraft und Macht.«
Wir waren skeptisch, kannten den Abbé allerdings lange genug, um zu wissen, daß wir ihn nicht umstimmen konnten, wenn er einmal einen Plan gefaßt hatte.
Er lächelte. »Keine Sorge, ich verlasse mich auf den Würfel und auf Hector de Valois. Er wird, wenn es nötig ist, meinen Ruf schon hören. Gott sei mit euch, Freunde!«
Die Worte hatten sich zwar angehört wie ein Abschied, doch es sollte für mich keiner sein.
Wir kannten die Anlage bisher nur von außen, die Halle einmal ausgenommen. Anhand der Bauweise glaubten wir, daß es zwischen den einzelnen Häusern Verbindungsgänge gab, demnach gingen wir davon aus, daß ein weiterer Gang existierte, der uns zum Turm führte. Diesmal übernahm Suko die Führung. Wir fanden einen Durchlaß, gerieten in einen weiteren leeren Raum mit nur zwei Fenstern. Durch eines fiel das Sonnenlicht als scharf gebündelter Streifen direkt auf eine Nische, an deren Hintergrund wir schwach die Stufen einer in die Höhe führenden Treppe erkannten.
Suko tauchte in die Nische ein. Er schaute hoch. »Das ist der Turm, John.« Seine Stimme hinterließ einen hohlen Klang. »Ich kann auch Fenster erkennen, durch die Tageslicht fällt.«
»Sonst nichts?«
»Nein!«
Als ich in die Nische eintauchte, hatte Suko bereits die ersten Stufen hinter sich gelassen. Ich folgte meinem Freund über die alte, ausgetretene Steintreppe, die beide Wände rechts und links miteinander verband.
In dem Turm herrschte eine ungewöhnliche Atmosphäre, die sich meines Erachtens aus zwei Dingen zusammensetzte.
Einmal war es das Wechselspiel zwischen Wärme und Kühle. Jedesmal, wenn wir an einer der Fensterluken vorbeischritten und die Sonnenstrahlen uns erwischten, brannten sie sich auf unserer Haut fest. Wenig Schritte weiter umgab uns wieder die Kühle, die zudem noch einen anderen Geruch mit sich brachte.
Stickige Luft, verbraucht schmeckend, nach Altertum und Feuchtigkeit riechend, aber auch staubdurchflort, der sich auf unseren schweißnassen Gesichtern festsetzte wie eine graue Schicht. Ein Geländer war nicht vorhanden. Ohne Stütze stiegen wir höher. Hin und wieder glitten unsere Blicke durch die Fenster. Sie waren der Seeseite zugewandt, wir schauten über die blaugrüne wogende Fläche mit der langen Dünung, die es schaffte, bei einem Menschen das Gefühl von Fernweh aufkommen zu lassen.
Auch ich verspürte diesen Wunsch, unterdrückte ihn jedoch sehr bald und ging weiter.
Noch zwei Kehren, so hatten
Weitere Kostenlose Bücher