Blutmond der Templer
wir sinken?«
»Danach sieht es aus.«
»Verdammt auch! Was schlagen Sie vor?«
»Gehen Sie in die Boote. Das ist die einzige Chance.« Als wir stehenblieben und überlegten, schüttelte er uns. »Machen Sie schon, zum Teufel! Sie werden sonst mitgerissen. Holen Sie Bloch raus.«
»Okay.«
In der Kabine saß der Abbé am Tisch, als wäre nichts geschehen. Auch das silberne Skelett sahen wir noch. Zwei Templer standen hinter ihrem Meister.
»Er will noch nicht!« sagte einer.
»Doch, Abbé, wir müssen vom Schiff.«
»Und dann?«
»Wir werden mit den Booten die Küste ansteuern. Bis Malta ist es nicht zu weit.«
Er nickte. »Gut, ich sehe ein, daß wir keine andere Chance haben. Ich hätte es mir denken können.« Er stand auf. Sofort waren die beiden Templer bei ihm, um ihn zu führen. Auch Suko kümmerte sich um den Abbé.
Ich wandte mich an das Skelett. Ich wußte, daß es tot war und trotzdem lebte. In seinen silbernen Knochen steckte eine gewaltige Kraft. In der Kathedrale der Angst hatte ich es schon gesehen, jetzt mußte es wieder hoch.
Noch lag es auf dem Rücken. Ich bückte mich und faßte nach seinem rechten Arm. Er war nicht schwerer als ein normaler Knochenarm. Vorsichtig zog ich daran.
»Du mußt kommen, Hector de Valois. Wir müssen dem Blutmond und dem Grauen entwischen.«
In seinen Augenhöhlen, die eigentlich leer waren, sah ich ein geheimnisvolles Schimmern. Es kam mir vor, als könnte ich durch diese beiden Löcher in anderen Welten schauen.
Steif richtete sich das Skelett auf.
Ich warf einen Blick zurück. Der Abbé, Suko und die beiden Templer hatten die Kabine bereits verlassen. Von Deck her wehten leise Rufe in den Bauch des Schiffes.
Auch hörte ich ein überlautes Summen. Wahrscheinlich die Geräusche der hart arbeitenden Pumpen.
Für einen Moment blieb der unheimlich wirkende Körper noch sitzen. Dann stand ermit einer ruckartigen Bewegung auf. Das Siegel der Templer klemmte zwischen den silbrig schimmernden Knochenfingern. Es ließ sich von mir führen. Als wir die Kabine verließen und den Gang betraten, kam uns ein Mitglied der Besatzung entgegen. Der Mann sah das Skelett und fing an zu schreien. Fluchtartig rannte er in Richtung Heck. Uns aber strömte das Wasser gurgelnd entgegen und umspielte schon sehr schnell unsere Füße hoch bis zu den Knöcheln. Um sicherzugehen, daß ich meinen Ahnherrn auch nicht verlor, ließ ich ihn vorgehen und schob ihn weiter. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte unser Schiff bereits Schlagseite bekommen.
Endlich erreichten wir den Niedergang. Das Skelett kletterte ihn hoch. Über uns erschien das Gesicht eines Templers. Der Mann winkte uns hastig zu.
»Sind die anderen schon in den Booten?«
»Sie lassen sie zu Wasser.«
»Gut.«
An Deck war es nicht einfach, sich auf den Beinen zu Ii alten. Suko winkte uns zu, dann kam er selbst. »Los, John, wir müssen uns beeilen.«
Wir hetzten zum Heck des Schiffes, wo das Rettungsboot bereits auf den Wellen schaukelte. Der Abbé saß darin. Noch war das Boot mit dem Schiff verbunden.
Zuerst ließen wir Hector de Valois einsteigen. Der Kahn schaukelte so stark, daß sich der Abbé mit beiden Händen an der Bordwand festklammern mußte.
Suko und ich folgten.
Damit war der Platz auch ausgenutzt. Die anderen Templer befanden sich in einem zweiten Boot. Sie hatten es bereits gelöst und trieben vom sinkenden Schiff weg.
Auch wir kappten die Verbindung zum Schiff. Die lange Dünung trieb uns ein Stück fort. Ich kümmerte mich um den Außenborder, mit dem das Boot ausgerüstet war. Unter einer Plane versteckt lagen die wichtigen Dinge, die ein Schiffbrüchiger benötigt, um die ersten Stunden auf See überleben zu können.
Signalpistole, Notproviant, Entsalzungstabletten und Lebensmittel in Dosen. Auch eine wasserfeste Plane, die über den Rettungskahn gezogen werden konnte.
Der Außenborder sprang schon beim ersten Anreißen der Leine an. Das Tuckern in diesen Augenblicken war Musik in meinen Ohren. Wir fuhren vom Schiff weg. Wenn es sank, wollten wir auf keinen Fall in den gefährlichen Strudel hineingeraten.
Noch immer strahlten die Scheinwerfer das Deck an. Die Besatzung befand sich noch auf dem Schiff. Sehr deutlich sahen wir Duval, den Kapitän. Mit lautstarker Stimme gab er seine Befehle und scheuchte die Männer in das letzte Boot.
Er wollte später das Schiff verlassen. Die alte Tradition war auch heute nicht gebrochen worden.
Um den sinkenden Kahn hatten sich Strudel gebildet.
Weitere Kostenlose Bücher