Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
Eintritt in die Firma Meyerink & Co. KG kann er sich so gut wie alles leisten. Mit einer Ausnahme. Eine Scheidung kommt nicht mehr in Betracht.
»Zehn Euro für deine Gedanken«, sagt Jochen und mustert mich neugierig.
»Ich frage mich, warum mir nie aufgefallen ist, dass du dich für SM interessierst?«
»Das habe ich ja zu unserer Zeit auch nicht.«
»Ach. Dann hat dich Renate dazu bekehrt?«
»Wenn du so willst«, sagt er. »Das heißt aber nicht, dass ich keinen Blümchensex mag. Den finde ich nach wie vor spannend. Wenn du weißt, was ich meine.«
Er grinst und unterstreicht seine Worte mit einer vagen Handbewegung. Dabei stößt er sein Rotweinglas um. Der Côte du Rhône läuft über die blütenweiße Decke, bahnt sich in rasanter Geschwindigkeit seinen Weg zwischen zwei silbernen Kerzenständern, erreicht die Tischkante und – tropft auf mein Kleid. Erschrocken springe ich hoch. Sofort eilen zwei Kellner herbei. Während der eine die rote Pfütze auf dem Tisch eindämmt, wischt der andere mit einer Stoffserviette an meinem Oberschenkel herum. Was den Fleck nicht kleiner, sondern immer größer und mich ziemlich sauer macht.
»Lassen Sie, lassen Sie«, fauche ich. »Es geht schon.«
Jochen kommt um den Tisch herum. »Tut mir leid«, sagt er. »Ich kaufe dir ein neues Kleid, wenn du möchtest.«
»Nicht nötig. Ich setze es auf die Rechnung«, antworte ich und schenke ihm ein schiefes Lächeln.
Während die Kellner den Tisch neu decken, schiebe ich mir ein paar Tempos unter den nassen Fleck. Das sieht zwar nicht gut aus, fühlt sich aber eindeutig besser an. Nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben und die Kellner uns endlich wieder allein gelassen haben, versuche ich, auf unser ursprüngliches Thema zurückzukommen.
»Du läufst also zweigleisig?«
Er schüttelt den Kopf. »Renate zuliebe konsequent eingleisig. Wenn man eine Frau liebt, tut man vieles für sie.« Er greift nach meiner Hand.
»Du scheinst deine Frau ja wirklich zu vergöttern«, antworte ich und mustere demonstrativ seine Hand.
Er zieht sie zurück. »Gefühle verändern sich. Und Menschen auch.«
»Ach! Tatsächlich?«
Nachdenklich trommelt er mit den Fingern auf den Tisch. »Pia, das klingt jetzt vielleicht blöd, aber Renate hat sich wirklich verändert. In letzter Zeit ist sie nur noch schlecht gelaunt, gereizt, muffig. Wegen jeder Kleinigkeit geht sie sofort an die Decke. Als ob sie in der Menopause wäre. Nur dass sie dafür ja eigentlich noch ein bisschen zu jung ist.«
»Hast du außer den Wechseljahren vielleicht noch eine andere Erklärung?«, frage ich spitz.
»Nein. Sie ist irgendwie so weit weg.«
Vielleicht hat sie ja allen Grund, weit weg zu sein, geht es mir durch den Kopf.
»Gehst du fremd?«, frage ich.
»Bist du verrückt?«
»Jochen, wenn du eine Freundin hast, wenn da draußen irgendeine Tussi herumläuft, die Renate aus dem Weg haben will, die gerne die nächste Frau Averbeck werden möchte, dann sag mir das bitte, und zwar jetzt. Ich krieg es sowieso raus.«
»Ich bin doch nicht wahnsinnig«, braust er auf. »Wenn bekannt würde, dass ich eine Geliebte habe, dann wäre ich meine Frau und meinen Job los. Dann würde ich alles verlieren, was ich in den letzten fünfzehn Jahren aufgebaut habe. Hältst du mich für so bescheuert?«
»Nein. Entschuldige«, versuche ich, ihn zu beruhigen. »Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
»Außerdem ist Renate nicht von einer Frau verletzt worden, sondern von einem Mann«, sagt er immer noch aufgebracht.
»Bist du dir sicher?«
»Ja! Ganz sicher.«
»Okay, dann lass uns Folgendes machen. Wir gehen den Abend noch einmal zusammen durch. Jedes einzelne Detail, jede noch so kleine Winzigkeit.«
»Das haben wir doch schon am Telefon getan«, stöhnt er.
»Ich weiß, aber ...«
Sachte beginnt er mit seinen Fingerkuppen über meinen Handrücken zu streichen.
»Jochen, findest du das in Ordnung, was du hier machst? Deine Frau liegt im Krankenhaus und du ...«
Seufzend nimmt er seine Hand wieder weg. »Spielverderberin.« Er greift nach seinem Glas. »Ich mache dir einen Vorschlag. Ich erzähle dir alles. Alles, was du wissen willst. Aber erst nach dem Essen, bei einer Tasse Kaffee, bei uns daheim. Kennst du überhaupt schon unser neues Haus?«
»Nein.«
»Es wird dir gefallen. Es ist ganz modern. Keine Schnörkel, keine Erker, kein Stuck, nichts, nur gerade, klare Linien. Bis auf eine Ausnahme. Einen offenen Kamin, mit einer Marmoreinfassung aus dem
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