Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
abzustatten, wollte ich mich nicht auch noch der Zechprellerei schuldig machen.
Ich bekam ein Zimmer im siebten Stock, mit herrlichem Ausblick auf den Aasee, auf dessen Oberfläche sich der Vollmond spiegelte. Von hier oben sah Münster schöner aus, als die meisten Münsteraner ahnten. Aber ich war ja nicht hier, um die Aussicht zu genießen, sondern um zu arbeiten.
Vom Zimmertelefon aus rief ich in der Lobby an und bat den Mann, der sich meldete, um die interne Telefonnummer von Frau Petry. Er nannte eine Zahl, von der ich hoffte, das sie mit der Zimmernummer identisch war.
Nachdem ich das Zimmer gefunden hatte, klopfte ich vorsichtshalber an. Niemand antwortete. Mit dem richtigen Equipment stellt auch eine Hotelzimmertür kein ernsthaftes Hindernis dar. Ich brauchte nur knapp zwanzig Sekunden, um das Kartenschloss zu knacken, verriegelte die Tür von innen und schaltete die Taschenlampe an.
Dass das Zimmer von einer Frau bewohnt wurde, stand außer Frage. Kein Mann ist genetisch dazu in der Lage, den halben Inhalt seines Kleiderschranks und ein komplettes Körperpflege- und Kosmetikprogramm einzupacken und bei erstbester Gelegenheit auf dem Boden und auf dem Bett zu verteilen. Ich ging näher heran und entdeckte den schwarzen Minirock, den ich aus dem Club Marquis kannte. Zweifellos befand ich mich im richtigen Zimmer. Allerdings fand ich kein Leder, keinen Latex, nicht mal ein paar metallische Accessoires. Für eine SM-Braut kleidete sich Pia Petry ungewöhnlich sittsam. Auch der geöffnete Rollkoffer, der neben dem Bett stand, enthielt keine Handschellen, Peitschen, Knebel oder andere Dinge, die das sadomasochistische Leben angeblich so schön machten. Überhaupt fand ich nichts, was mich weiterbrachte. Natürlich hatte Frau Petry ihr Handy und ihren Terminkalender mitgenommen. Aber wenigstens einige Briefe oder persönliche Notizen hätte sie für mich zurücklassen können.
Zunehmend frustriert drehte ich eine weitere Runde durch das Zimmer, öffnete Schubladen und inspizierte das Badezimmer. Ohne Erfolg. Schließlich betrachtete ich den Schreibblock, der neben dem Telefon lag. Ganz schwach waren Linien zu erkennen, die vom Druck eines Kugelschreibers stammten. Offenbar hatte sie etwas geschrieben und den Zettel abgerissen.
Ich hielt den Block schräg unter das Licht der Taschenlampe. Jetzt wurden die Linien deutlicher. Restaurant im Heeremanschen Hof , entzifferte ich mühsam, dann Jochen und 20.00.
Jochen wie Jochen Averbeck. Das war tatsächlich interessant. Jochen Averbeck traf sich mit Pia Petry. Vielleicht war sie seine Geliebte und der Auftritt im Krankenhaus kein Höflichkeitsbesuch, sondern ein Streit zwischen Rivalinnen gewesen.
Meine Gedanken drehten sich weiter. Möglicherweise hatte es den unbekannten Angreifer nie gegeben. Ein anderes Szenario war ebenso denkbar: Averbeck hatte seine Frau töten wollen und im letzten Moment Skrupel bekommen. Wenn der gute Jochen am Geldtropf der Meyerinks hing, war der Weg in die Freiheit ohne nennenswerten Einkommensverlust nur als Witwer zu beschreiten.
Ich verließ das Zimmer und schlenderte wie ein gewöhnlicher Hotelgast über den Flur. Vor mir öffneten sich die Aufzugtüren. Und dann kam sie heraus. Sie stöckelte in orthopädisch ungesund aussehenden Stiefeln und hatte einen Fleck auf ihrem Designerkleid.
Ich schaute gelangweilt geradeaus und hoffte, dass sie mitspielen würde. Was blieb mir anderes übrig? Ein Hotelflur eignet sich nicht zum Verstecken.
Aber die Rechnung ging nicht auf. Als wir auf einer Höhe waren, fuhr sie mich an: »Sie? Was machen Sie hier?«
»Meinen Sie mich?«
»Wen sonst?«
»Geht Sie das etwas an?«
Sie schaute von mir zu ihrer Zimmertür. »Sie waren in meinem Zimmer.«
»Erzählen Sie keinen Unsinn!«
Ich wollte weitergehen, doch sie hielt mich fest. »Sie waren in diesem Club, Sie waren im Krankenhaus und jetzt lungern Sie vor meiner Tür herum.«
»Nun, offenbar waren Sie ja auch an diesen Orten, sonst hätten Sie mich nicht gesehen. Im Übrigen bin ich im Begriff, das Hotel zu verlassen. Ich nehme an, dass Sie mich nicht begleiten wollen.«
Ich schüttelte ihre Hand ab.
»Bleiben Sie stehen!«
Ich ging weiter.
»Wenn Sie nicht sofort stehen bleiben, schreie ich das ganze Hotel zusammen.«
»Na schön.« Ich drehte mich um. »Was wollen Sie?«
Sie baute sich vor mir auf. »Ich möchte wissen, warum Sie hinter mir her sind.«
»Einverstanden. Dafür verraten Sie mir, warum Sie hinter Jochen her
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